Auf der dunklen Bühne glimmt das Ende einer Zigarette auf, nach und nach werden Instrumente und Musiker in blaues Licht getaucht. Es ist bereits ein theatralischer Einstieg, den der deutsche Schauspieler Ben Becker für seinen traurigen Liederabend "Den See" am Montagabend im Wiener Konzerthaus wählte. Fast zwei Stunden lang sang Becker mit einer Stimme, die weit über den üblichen Whiskey- und Zigarettenkonsum hinausgeht, und großem Pathos über Liebe, Verlust, Abschied und Verzweiflung, brachte aber auch komische Momente ein. Große Begeisterung im Publikum. Trauriger Liederabend mit viel Witz Ein trauriger Liederabend in schwarzem Anzug und mit einer Packung Zigaretten sei das Ziel, verkündet der Sänger, der unter anderem für seine Auftritte als Tod im Salzburger "Jedermann" berühmt ist. Ben Becker raucht nicht nur und singt, er leidet und hadert auch – und das mit großen Gesten und großen Gefühlen. Egal ob bei seinen Eigenkompositionen wie "Alles geht in Rauch auf – Du auch", oder beim "Ship Song", der eigentlich von Nick Cave and the Bad Seeds stammt – Becker hat den Rockstargestus verinnerlicht. Becker coverte "Hurt" Den Kopf in den Nacken gelegt, die Hände wie zum Gebet gefaltet, den Arm steil nach oben gestreckt – manchmal fast ein bisschen zu viel des Guten, wie die Andeutung der Spritze im Cover von "Hurt" der Nine Inch Nails – in Beckers Variante allerdings der Johnny-Cash-Version des Liedes deutlich näher. Begleitet wird der Sänger dabei von seiner Band, zwei Gitarren, Klavier, Schlagzeug, Bass nach Belieben variiert und ätherischen weiblichen Backup-Vocals. Mitten im Gitarrensolo zu der "Sturm" küsst er seinen Gitarristen, auch am Klavier sitzt "ein langjähriger musikalischer Begleiter", Yoyo Röhm. Becker auf großer Bühne Die eine oder andere Reminiszenz hat Becker auch an das Wiener Konzerthaus, hier drehte er für die "Comedian Harmonists". "Ich hatte das Haus kleiner in Erinnerung, jetzt bin ich tierisch nervös", kokettierte er. Nach der ersten Hälfte wünscht er sich Rotwein und raucht mal wieder eine. Auch der titelgebende See soll irgendwo in Österreich sein.
Zwischen Selbstmordversuch und Geisterstunde In seinen Liedern changiert Becker nicht nur thematisch zwischen Selbstmordversuch und Geisterstunde, auch seinen Tonfall passt er an: Verzweifelt, beinahe krächzend, der Revolution in Ekstase entgegenbrüllend ("Schwarze Frau") oder fast schon in Märchenonkel-Anlehnung beim Rezitativ des Joachim Ringelnatz-Gedichtes "Die alte Schiffsuhr". Und wieder wickelt er das Mikrofonkabel um die Hand, zieht das Sakko aus, schnalzt sein Zippo zu, jeder Handgriff und jede Pose auch ein bisschen Inszenierung, aber eine gute, eine passende. Ein paar muntere Töne dabei Bevor es gar zu melancholisch und depressiv wird, packt der Sänger dann zumindest ein wenig munterer anmutende Lieder aus – zu "Papua Neuguinea", wo man "bei den Wilden, hinter den Gefilden" Aussteigertum spielt, liefert er die passende Traumschiffanekdote inklusive Fastbeschneidungserfahrung bei seinem Besuch bei den indigenen Bewohnern. Zwischendurch wird eine Dame getadelt, die zu spät kommt und sich mit erhobener Handtasche durch die vorderen Reihen zwängt – "Machen Sie das im Theater auch?" Bei "Nacktfotografie" blitzt er einer Frau in der ersten Reihe sogar mit einer Polaroid-Kamera ins Gesicht und zeigt sich anschließend enttäuscht, dass sie angezogen bleibt.
Auch Zugabe dabei Als Zugabe gibt es schließlich Heinrich Heines Lied von der Loreley, Ben Becker im Scheinwerferlicht, begleitet nur vom Klavier, eine letzte große Pose. Bravorufe und langer Applaus.
(Von Barbara Wakolbinger/APA)
Info Ben Becker & Band: „Den See“, 14. Dezember im Salzburg Congress, 15. Dezember in der BRP-ROTAX Halle in Wels. Alle Infos zu den beiden Terminen erhalten Sie unter www.benbecker.de.
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