Edelorchester gab unter Chefdirigent Rattle sein spätes Konzerthaus-Debüt.
Der Reigen der philharmonischen Festwochen-Abende geht weiter und hat nun bereits von Wien über New York nach Berlin geführt. Am 3. Juni starteten die Berliner Philharmoniker mit einem späten Debüt im Wiener Konzerthaus eine mehrtägige Residenz - und erlaubten mit Bruckners Siebenter Symphonie einen spannenden transatlantischen Vergleich mit der Dritten der New Yorker. Dabei präsentierte Simon Rattle sein Edelorchester als fantastische und frenetische Klangmaschine, die sich bei keiner Note mit weniger als Brillanz zufriedengibt - und blieb interpretatorisch bodenständig.
Harte Arbeit im Konzerthaus
Von der klirrenden Leichtigkeit und Transparenz des New York Philharmonic ist bei diesem Bruckner nichts zu hören. Hier wird schwer geatmet und beim Dauer-Tremolo schweißtreibend hart gearbeitet. Nicht nur, aber vor allem unter ihrem Chefdirigenten Simon Rattle zeichnen sich die Berliner Philharmoniker durch einen Energie-Einsatz aus, der jeden einzelnen Musiker als gefühlten Solisten dastehen lässt. Das Ergebnis ist Sound pur, rund, massiv und kompakt, von Rattle mit viel Umsicht durch die gewaltige Symphonie gerollt. Detailreich ausgestaltet, verleiht Rattle der Siebenten mit exakt gesetzten Pausen und präzise gesteigerten Aufschwüngen eine feierliche Ruhe, nicht nur im berühmten Adagio, das Bruckner zu Ehren Richard Wagners schrieb (und das, als hätte er geahnt, dass der von ihm verehrte Komponist zu ebendieser Zeit im Sterben lag, nach einem hehren Grabgesang klingt), sondern selbst noch im fulminanten Finale - und spart auch in den zarten Passagen nicht mit Gewicht.
Berliner Philharmoniker bieten Kontrastprogramm
Insofern erwies sich Bruckner auch interpretatorisch als Kontrastprogramm zum ersten Teil. Als Appetithappen - mit Pause nach nur 15 Minuten Musik - hatten die Philharmoniker zunächst "notations pour orchestre" von Pierre Boulez gereicht. Die fünf Stücke entstanden in den 50er-Jahren als Klavier-Miniaturen, viel später arbeitete Boulez sie für Orchester aus - sowohl instrumentell als auch in der Länge. Die Struktur des ursprünglichen Werks bleibt dabei fühlbar, als Gerüst, das sich minutenlang in aberwitzigen Formspielen ergeht.
Weitere Konzerte im Konzerhaus
In den kommenden drei Tagen sind die Berliner Philharmoniker im Konzerthaus noch mit zwei Programmen zu erleben: Am 4. Juni dirigiert Rattle das aus Wiener und Berliner Philharmonikern bestehende Kammerensemble Wien-Berlin mit Werken von Ligeti, Hindemith, Britten und Wagner, am 5. und 6. Juni wird zweimal Mahlers "Auferstehungssymphonie" gegeben - als Solistinnen sind Sarah Fox und Anne Sofie von Otter dabei.
Info
Alle Informationen zu den Berliner Philharmonikern im Wiener Konzerthaus erhalten Sie unter www.konzerthaus.at und www.festwochen.at.