Es gibt vieles, was ablenken könnte: Das Geschehen entlang der ellenlangen Tafel, zwischen in Angst erstarrter Konspiration und vorgetäuschter Ehrerbietung schwankend; das ausgestopfte Pferd am oberen Ende ebendieser, immer wieder Teil absurder Spielchen und Videosequenzen; oder "The Shimmering Beast", ein beinahe bis zur Decke reichendes Klangungetüm aus zig Schlagzeugbecken, zitternd, vibrierend, bebend. Aber es ist Cornelius Obonya, der diesen "Caligula" im Kasino des Burgtheaters zum Erlebnis macht. Und dafür bei der Premiere am 17. Mai begeistert gefeiert wurde.
Facettenreiches Auszutoben Gerade dieses Einziehen von verschiedensten Ebenen war es wohl auch, was dem 43-Jährigen die Freiheit gab, sich mal im Zentrum, mal etwas abseits facettenreich auszutoben. Denn nach dem Tod der Schwester und Geliebten scheint für Caligula nichts mehr von Bedeutung zu sein. Der Anfang vom Ende kündigt sich an, erweist sich allerdings als Trugschluss auf Zeit, von der sich dieser Imperator viel nehmen wird, um das Unmögliche möglich zu machen. Der Mond steht dabei nur symbolisch für die Wünsche eines in Macht Erstarrten, der sich aus seinem Korsett zu befreien sucht. Schließlich droht die Erkenntnis: "Die Menschen sterben, und sie sind nicht glücklich." Obonya zwei Stunden als undurchsichtiger Herrscher In gleichem Maße exaltiert wie zurücknehmend gefällt sich Obonya zwei Stunden lang als undurchsichtiger Herrscher, seinen Vertrauten, die bereits Anstoß nehmen und ihrerseits Pläne schmieden, stets einen Schritt voraus und vor keiner Grausamkeit zurückschreckend. Angehörige werden ermordet, die von Regisseur Jan Lauwers ins Stück gesetzte Octavia (Anneke Bonnema) mittels der Pferdeattrappe vergewaltigt und das eigene Antlitz zur Gottheit erhoben. Caligula gibt sich nicht mit halben Sachen zufrieden: "Ich werde Widersprüche und Widersprechende ausrotten." Zerrissenheit des Machthabers Gleichzeitig verfällt er aber immer tiefer in die innere Zerrissenheit des Machthabers, der nie genug haben wird. Der Aberwitz seiner Pläne kennt keine Grenzen, wird dabei ebenso zur Parabel auf aktuell herrschende Diktatoren wie kriegerische Gräueltaten oder politische Korruption. Schließlich heiße "regieren stehlen, es kommt nur darauf an wie". Und wenn Hans Petter Dahl als Scipio schon früh anmerkt, dass dieser Cäsar ein "Spiel ohne Grenzen" verfolgt, wurden dessen Auswüchse höchstens angedeutet.
Beklemmenden Angelegenheit Dass Lauwers Inszenierung nicht gänzlich zur beklemmenden Angelegenheit wird, dafür sorgen neben der exzellenten schauspielerischen Leistungen des gesamten Ensembles - neben Obonya vor allem Maria Happel als blindvertrauende Caesonia - die optischen wie musikalischen Reize. Das von Nicolas Field entworfene und bediente "schimmernde Biest" ist dabei zwar nur ein Aspekt unter vielen, aber wohl der beeindruckendste. Immer wieder verfällt das Stück ins Absurde, wird mit Weintrauben auf dem Kopf gesungen, lockt Happel als Hohepriesterin mit Discoflair zur Anbetung, während im nächsten Moment das Blut spritzt und Schuhspitzen damit eingerieben werden. Römische Wahnsinn Am Ende erfüllt die zentrale Tafel, zu derer beider Seiten das Publikum Platz genommen hat, doch noch ihren eigentlichen Zweck: Schnitzel mit grünem Salat stehen am Speisezettel, nachdem Caligula in jeder nur denkbaren Form zu seinem eigenen Ende beigetragen hat. Während die Konspiranten sich laben, rekapituliert er seinen Traum, seine Situation, die Ausweglosigkeit des Daseins. Ob er den Geschmack von "Tod, Blut, Fieber", den er zuvor verspürte, losgeworden ist, darf bezweifelt werden. Schließlich war es der römische Wahnsinn, der hier von Lauwers und seinem Team mit Methode kongenial serviert wurde. Langer Applaus für alle Beteiligten.
(Von Christoph Griessner/APA)
Info "Caligula" von Albert Camus wird noch am 18., 19., 21., 22. und 24. Mai sowie 11. und 12. Juni im Burgtheater Kasino aufgeführt. Alle Informationen rund um die Vorstellungen finden Sie unter www.burgtheater.at.
Diese Seite verwendet Cookies. Für eine uneingeschränkte Nutzung der Webseite werden Cookies benötigt.
Sie stimmen der Verwendung von Cookies durch Anklicken von "OK" zu.
Nähere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen und unter dem folgenden Link "Weitere Informationen".
Wir nutzen Cookies dazu, unser Angebot nutzerfreundlich zu gestalten,
Inhalte und Anzeigen zu personalisieren und die Zugriffe auf unserer Webseite zu analysieren.
Marketing Cookies Wir setzen Marketing Cookies ein, um unseren Usern relevante und nützliche Werbung präsentieren zu können.
Statistik Cookies Wir setzen Statistik Cookies ein, um nützliche Erkenntnisse darüber zu gewinnen,
wie unsere Sites genutzt werden, sodass wir sie in Folge weiter verbessern können.
Technisch notwendige Cookies
Diese Cookies sind für die grundlegenden Funktionen der Website zwingend erforderlich und können nicht deaktiviert werden.