Karl Löbl Kritik
Carmen-Premiere: Holenders Kontersieg
04.05.2010
Begeisterung um Carmen an der Wiener Staatsoper. Star war der Dirigent.
Es ist wie im Sport. Auch am Theater muss ein guter Trainer Ausfälle schnell kompensieren können. Direktor Ioan Holender gelang das. Die Carmen-Serie der Staatsoper ist gut besetzt, musikalisch spannend, erfolgreich und fernsehtauglich. Nadia Krasteva gestaltet die Titelrolle überzeugend, macht stimmlich großen Eindruck und die Figur glaubhaft. Das gilt auch für ihren Partner Massimo Giordano, dessen Don José dank intensivem Ausdruck berührt. Anna Netrebko hat in Bizets Oper bloß eine Duettszene im ersten Akt und eine Arie im dritten. Trotzdem wurde ihre Micaela zu einem warmherzigen, gefühlsbetonten Bühnenmenschen mit maximaler vokaler Präsenz.
Wir erleben den Start einer ganz großen Karriere
Der Star
des Abends stand freilich nicht auf der Bühne, sondern vor ihr. Andris
Nelsons (31) gilt als einer der interessantesten jüngeren Dirigenten, ist
Orchesterchef in Birmingham und war schon mehrmals an der Wiener Oper zu
Gast. Wem Carlos Kleibers Carmen noch in Erinnerung ist, wird mir
Recht geben: Nelsons musikalische Neueinstudierung hat deren Niveau. Liebe
zum Detail und Stärke der musikalischen Dramatik, vitale Korrespondenz mit
der Bühne, die er anfeuert und überwacht, größtmöglicher persönlicher und
totaler körperlicher Einsatz zeichnen Nelsons
Dirigat aus. Wir erleben an der Staatsoper den Start einer ganz großen
Karriere.
„Carmen“, weitere Vorstellungen: 6., 9., 12., 15. 5.; Do.,
21.05 Uhr, ORF 2
„CARMEN“ IM TV:
Donnerstag, 6. Mai, 21.05 Uhr, ORF 2.
Der
ORF lässt sich Carmen mit Anna Netrebko nicht entgehen: Kommenden Donnerstag
sendet ORF 2 das Staatsopern-Highlight ab 21.05 Uhr. Barbara Rett führt
durch den Abend. Ö1 sendet die Bizet-Oper am 15. Mai um 19 Uhr. Zudem sind
alle Carmen-Vorstellungen (6., 9., 12., 15. 5.) live auf der Videowall vor
der Staatsoper zu sehen.