Opernkritik
Carmen - Erotik, Spannung und Wärme
05.05.2010
Großer Erfolg trotz vieler Absagen: 'Carmen' an der Wiener Staatsoper.
Wie man eine Pannenserie in einen Erfolg umkehrt, ist derzeit an der Staatsoper zu erleben.
Starkes Musiktheater
Trotz der Häufung von Absagen
wurde die Neueinstudierung von Bizets Carmen
dank bester Reserven zu starkem Musiktheater. Nadia Krasteva ist für die
Titelrolle prädestiniert. Sie sieht fabelhaft aus, hat eine an Klangfarben
reiche Stimme, macht die erotischen Szenen glaubhaft und erfüllt die
dramatischen Momente der Handlung mit Spannung. Massimo Giordano ist als Don
José optisch und vokal ein rechtes Mannsbild, stark im Ausdruck und
effektvoll im Einsatz seiner tenoralen Mittel. Ildebrando d‘Arcangelo
scheitert wie viele seiner Kollegen am Torero-Lied, das nur wenig Eindruck
macht, erzielt diesen jedoch im späteren Duell und Duett. Dass Adrian Eröd
nochmals die kleine Rolle des Morales übernimmt, bedeutet eine akustische
Wohltat.
Leidenschaftlicher Dirigent
Andris Nelsons (31) ist als Animator
unwiderstehlich. Er dirigiert mit totalem Körpereinsatz, großen Gebärden
ebenso wie kleinen Fingerzeigen, macht seine Leidenschaft für das Stück
spürbar und überträgt sie auf Orchester und Chor. Die Feinheiten und
Emotionen der Musik sind brillant, plastisch, gefühlvoll realisiert.
Dass Anna Netrebko als Micaela debütiert, ist ein Luxus. Ihre kostbare Stimme ist in den beiden Szenen, in denen sie aufzutreten hat, von größter Schönheit, Wärme und hat jenen liebevollen Klang, dessen die Figur bedarf. Neue Rollen kündigen sich in diesem Klang schon an. Es sollten wohl Desdemona, Elisabeth (Don Carlos) oder eine von Verdis Leonoren sein. Wir freuen uns darauf.
Carmen. TV: 6. 5., 21.05 Uhr, ORF2. Anna Netrebko: 5.5., 17.40 Uhr, ORF 2.