Energiegeladene Vielfalt

"Carmina Burana" an der Volksoper

03.03.2012

Wiener Staatsballett tanzt auch "Nachmittag eines Fauns" und "Bolero".

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So zart und reduziert er begonnen hat, so theatralisch und energiegeladen hat er geendet: Der Ballett-Abend "Carmina Burana" an der Wiener Volksope r hat bei seiner Premiere am Freitag sowohl den Publikumsgeschmack getroffen als auch gekonnt das Talent der Tänzer aus der zweiten Reihe des Wiener Staatsballetts zum Vorschein gebracht. Stilistische Brüche und eine beeindruckende Ensembleleistung beherrschten den Abend, an dem unter Dirigent Guido Mancusi musikalische Meisterwerke von Carl Orff, Claude Debussy und Maurice Ravel in für das Haus geschaffenen Fassungen auf die Bühne gebracht wurden.

Nachmittag eines Fauns
Trotz schlichter, allein mit breiten Pfosten gepflasterter Bühne fühlte man sich erst in den Garten Eden versetzt, in dem Boris Nebyla seine behutsame Choreographie zu Debussys "Nachmittag eines Fauns" ansiedelte. Animalisch und doch vorsichtig sind die Bewegungen des Fabelwesens gegenüber seiner Angebeteten angelegt, denen Mihail Sosnovschi kraftvoll und stark am Bühnenboden verankert Ausdruck verleiht. Im intensiven Zusammenspiel mit Taina Ferreira Luiz, die sich verführerisch dem im Wald erwachenden Faun nähert, geht er im menschlichen Verlangen nach Zuwendung und Liebe auf und hinterlässt - nicht zuletzt dank seines nur in einer nude-farbenen Shorts präsentierten, gestählten Körpers - einen bleibenden Eindruck.

Bolero
Vom verwunschenen Wald in den Ballsaal führt Andras Lukacs' temperamentvolle Inszenierung von Ravels "Bolero". Anfangs noch in Respektabstand aufeinander zuschreitend, gehen die zehn Tänzer und zehn Tänzerinnen des Ensembles bald in einem Trubel aus kräftigen, bestimmten Schritten unter, wobei letztere zuweilen durch Asynchronität auffallen. Lukacs, der auch für Bühne und Licht verantwortlich zeichnete, verstärkt mit halbdunklen Sequenzen und wallenden, schwarzen Röcken aller Tänzer die Dramatik und lässt die großartigen Kostüme mit dem die Bühne umrandeten, schwarzen Vorhang verschmelzen. Die Beine von langen Röcken verdeckt, bestechen die Tänzer durch präzise Armgesten und ihren Fokus auf geneigte Oberkörper, die respektvoll und arrogant zugleich anmuten.

Alle Register zieht schließlich die in Belgrad geborene Choreographin und Ballettmeisterin Vesna Orlic bei ihrer frei ausgelegten Fassung von Orffs "Carmina Burana". Verstärkt von einem 80-köpfigen Chor als integriertem "Bühnenbild", einem unbeschwerten Kinderchor und drei stellenweise mitten ins Geschehen eingebundenen Solisten - Sopranistin Beate Ritter, Tenor Jörg Schneider und Bariton Klaus Kuttler - beeindruckt das Ensemble mit einer vielseitigen Mischung aus furchterregender Theatralik, ironischem Klamauk und bezauberndem Liebestanz. Ausgehend von einer in Nebelschwaden erscheinenden, androgynen Fortuna (Florian Hurler) gehen Musik und Tanz mit gesungenen Worten eine Symbiose ein und bieten eine knappe Stunde lang einiges für Ohren und Augen zu verarbeiten.

Fortunas in Erdtönen beleuchtete Gefolgschaft spaltet sich später einmal in in Negligee gehüllte, umworbene Frauen, dann in eine klösterliche Tavernenszene auf, die sich grenzwertig in ein Varietee verwandelt: Sexy Nonnen offenbaren unter ihren Kutten Reizwäsche, lüsterne Mönche pinken Tüll. Dem Publikum gefällt die Doppelmoral - tänzerisch beeindruckend ist dann aber vor allem das herausragende Pas de deux zweier Liebenden (traumhaft: Suzanne Kertesz und Gleb Shilov), das den eher farblosen anderen Paarungen einiges entgegenhält.

Mit drei modernen, aber sich in ihrer Ballettsprache gänzlich unterscheidenden Stücken wird "Carmina Burana" zu einem vielseitigen Gesamtkonzept, das für jeden etwas bereithält - und ein starkes, stimmiges Ensemble gemein hat.

Weitere Termine: 5., 11., 21. und 27. März, 17. und 23. April sowie 3. Mai. http://www.volksoper.at

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