Premiere

Kehlmanns "Mentor" begeisterte Josefstadt

09.11.2012

Nach der kurzfristigen Umbesetzung der Hauptrolle feierte "Der Mentor" Premiere.

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© Sepp Gallauer
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"Glück und Unglück liegen am Theater manchmal eng beisammen." Was der Stiftungspräsident des Wiener Theaters in der Josefstadt, Günter Rhomberg am 8. November vor dem Vorhang zum Publikum meinte, charakterisierte die Umstände der Uraufführung des zweiten Stücks von Erfolgsautor Daniel Kehlmann treffend. Regisseur Herbert Föttinger, zugleich Direktor des Hauses, war drei Tage vor der Premiere für den plötzlich erkrankten Hauptdarsteller Michael Degen eingesprungen. Und machte aus dem "größten denkbaren Theaterunglück" (Rhomberg) einen gefeierten Erfolg, der mit viel Applaus bedacht wurde.

Kelhlmann auch für die Bühne
Daniel Kehlmann, 37-jähriger Autor des soeben verfilmten Welterfolgs "Die Vermessung der Welt", hatte sich mit seiner Anti-Regietheater-Rede 2009 bei den Salzburger Festspielen zur Persona non grata des Theaterbetriebs gemacht. Für seinen Bühnenerstling "Geister in Princeton" durfte er sich am vergangenen Montag dennoch einen Nestroy-Preis abholen. "Geister in Princeton" war ein brillantes, geistreiches Stück. "Der Mentor" ist das nicht. Doch er funktioniert, und das bestätigen die Lacher der Uraufführung nachdrücklich, als Komödie. Und wird als Edelboulevard möglicherweise die noch größere Bühnenkarriere machen als sein Vorgänger.

Reizvolle Konstellation
Die Konstellation ist reizvoll: Ein großzügig gesponsertes "Mentoren-Projekt" einer Kulturstiftung spannt einen alten, arrivierten Autor mit einem jungen Kollegen zusammen, um diesem mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Das kann nur schief gehen. Glückliche Voraussetzungen für ein schadenfrohes Publikum. Das wird jedoch, anders als in Kehlmanns Stück rund um den Logiker Kurt Gödel, das ein intelligentes Verwirrspiel rund um das Raum-Zeit-Kontinuum bietet, kaum mit ästhetischen oder ethischen Grundfragen belästigt. Selbst der Generationenkonflikt wird kaum vertieft. "Der Mentor" widmet sich allzu bald der klassischen geometrischen Form des Beziehungsdramas: dem Dreieck. Zwei Männer, eine Frau. Denn der junge Autor ist mit seiner attraktiven Gattin angereist. Die war einst ein großer Fan des heutigen Oldies und gefällt diesem ungemein.

Schauspieler-Wechsel kein Fehler
Dass Einspringer Herbert Föttinger fast 30 Jahre jünger ist als der für die Rolle des Starautors Benjamin Rubin besetzt gewesene Michael Degen, ist für die erotische Spannung zwischen Rubin und der flirtbereiten Gina (Ruth Brauer-Kvam übt sich in sexy selbstbewussten Posen, bleibt aber etwas eindimensional) förderlich. Um auch das Lehrer-Schüler-Verhältnis und den Vater-Sohn-Konflikt glaubhaft zu bedienen, betont Föttinger die arroganten und launischen Seiten einer alternden männlichen Literatur-Diva. Ein einsam gewordener Gockel, der froh ist, endlich wieder Publikum zu haben und darunter leidet, dass seine große Zeit mit seinem als 25-jähriger Jüngling geschriebenem Erfolgsstück "Der lange Weg" auch schon wieder vorbei gewesen war.

Fast leere Bühne brachte Werk besser zur Geltung
So konventionell der Regisseur Föttinger die Szenen auf der für dieses Kammerspiel viel zu großen, fast leeren Bühne (Ausstatter Herbert Schäfer setzt mit Kulissenteilen und Scheinwerfern auf Theater im Theater und hat viel knirschenden Kies ausgestreut) arrangiert hat, so sehr ist ihm für seine schauspielerische Leistung Respekt zu zollen. Die Erleichterung war ihm bei den Verbeugungen nach kaum 90 Minuten Spielzeit anzumerken. Spannender für den Zuschauer wäre es allerdings, wenn Florian Teichtmeister als junger Autor Wegner ein ernsthafterer Rivale wäre, der mit mehr Selbstbewusstsein als Selbstzweifel zornig sein Terrain verteidigt. Immerhin vermeidet die Uraufführung am Ende sein ursprünglich im Text stehendes unterwürfiges "Nimmst Du mich mit?" zur abreisenden Gattin, sondern lässt ihn von dieser sanft gebeten werden: "Komm!" Siegfried Walther als pointensicherer und latent renitenter Kulturfunktionär ("ein Beruf für die Mutlosen") rundet den Abend ab. "Das heißt nicht, dass Sie nicht begabt sind. Nur merkt man es nicht. Nicht hier", ätzt Rubin über Wegners Stück "Namenlos". Auf Kehlmann selbst trifft dieser Satz nicht zu. Denn nur das Wissen um seine Begabung lässt einen mit dem "Mentor" nicht ganz glücklich werden. Da wäre wäre noch viel drinnen. Ganz ohne Mentor.

Info
Daniel Kehlmann: "Der Mentor", Regie: Herbert Föttinger, Bühnenbild und Kostüme: Herbert Schäfer, Theater in der Josefstadt, Uraufführung, Nächste Vorstellungen: 9., 10., 11., 14., 17.11., (www.josefstadt.org)



 
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