Endspiel der Liebe

Die Josefstadt spielt "Quartett"

07.02.2014


Trissenaar und  Lohner im Rollenspiel zwischen Klamotte und Totentanz .

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© APA/Herbert Neubauer
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"Zuviel Theater!", denkt man sich nach den ersten Minuten des "Quartett"-Spiels im Theater in der Josefstadt. Heiner Müllers strenges Endspiel der Liebe, das den Briefroman "Gefährliche Liebschaften" in eine variantenreiche und zynische Abrechnung mit bürgerlichen Moralvorstellungen überführt, wirkt in der Regie von Hans Neuenfels zunächst allzu betulich. Doch der Abend hält manche Wendung parat.

Abgebrühtes Intrigenspiel in der Josefstadt  
Die von Choderlos de Laclos geschriebene Vorlage, ein abgebrühtes Intrigenspiel zwischen der Marquise Merteuil und ihrem früheren Geliebten, dem Vicomte de Valmont (im bekannten Film von Stephen Frears brillant gespielt von Glenn Close und John Malkovich), stammt aus dem Jahr 1782. Müllers Bühnen-Kondensat hat die Zeit- und Ortsangabe "Salon vor der Französischen Revolution / Bunker nach dem dritten Weltkrieg". Für die Josefstadt-Produktion, die gestern, Donnerstag, Premiere feierte, hat Ausstatter Reinhard von der Thannen ein Bühnenbild gebaut, das wie der schwarze Ruheraum eines noblen Wellness-Tempels wirkt: zu beiden Seiten je eine Liege, ein Sessel und eine für Ballettübungen verwendbare Stange, in der Bühnenmitte eine zylindrische, von Vorhängen umschlossene Umkleidekabine. Weniger strenge Kammer als ein Ort für sanfte Seelenmassagen.

Ein schrilles Bühnenstück
Elisabeth Trissenaar flattert als Schmetterling mit orangeroten Haaren und violettem Samtmantel zunächst reichlich exaltiert durch dieses finstere Ambiente. Zu viel Emotion, zu viel Engagement für eine Abgebrühte, deren Motto lautet: "Die Tugend ist eine Infektionskrankheit." Erst in der Konfrontation mit ihrem Widerpart und Komplizen erhalten diese dick aufgetragenen Farben eine gewisse Schlüssigkeit: Der großartige Helmuth Lohner geistert als versteinerter Gast durch den Salon, ein schlanker, greiser und weiser Indianer mit langen, grauen Haaren und aus Granit gemeißelten Gesichtszügen, ein unbewegter Dämon erstarrter Leidenschaften, ein wie die Kollegen vom Leben gezeichnetes, bisher unbekanntes Mitglied der Rolling Stones, dazu verdammt, die Rocky Horror Love Show bis in alle Ewigkeit weiterzuspielen.

Von Himmel und Hölle, Tod und Teufel, Liebe und Laster  

Tatsächlich geht es in diesen 100 pausenlosen Minuten um weit mehr als um die bloße Huldigung des Lustprinzips. Es geht um alles. Um Himmel und Hölle, Tod und Teufel, Liebe und Laster. Wer nach Dauererektion und Permanentorgasmus strebt, der kommt nicht nur aus moralischen, sondern auch aus physiologischen Gründen in des Teufels Küche. In diesem späten Hausdebüt des 72-jährigen Regie-Altmeisters Hans Neuenfels erschließt sich diese Erkenntnis erst durch die Rollenspiele der beiden verzweifelt nach dem Sinn des Lebens suchenden und doch nur auf Leere stoßenden Intriganten.

Viel Abwechslung
Die Regie scheut dabei weder Komödie noch Klamotte. Wenn Lohner zur spröden, verheirateten Madame de Tourvel wird, dann wird der alte Häuptling ohne Kopfschmuck zum gerupften Huhn ohne Federn, dann legt er sich eine hohe Fistelstimme zu, wirkt kettenbehängt im langen, schwarzen Hemd wie ein später, tuntiger Hippie. Kokett gicksend ist er zum Lachen wie zum Weinen gleichermaßen. Trissenaar ist da als Bestürmer und Bedränger Valmont auf verlorenem Posten, ihre erfolgreiche Eroberung ist pure Behauptung. Auch wenn ein Nonnenhäubchen die tugendhafte, jungfräuliche Cecile de Volanges symbolisiert, dann gelingt Lohner im Wechselspiel der Partner die "Vernichtung der Nichte" deutlich besser. "Lassen Sie mich ihr Priester sein!", beschwört er die fromme, junge Frau - und bekehrt sie zur Erkenntnis, dass des Menschen Lust Gottes Wille sei.

Resümee
Doch je böser der Abend wird, desto mehr kippt er von der Lust zum Lustmord, von der Selbstbefriedigung zum Selbstmord. "Ich will der Geburtshelfer Ihres Todes sein", lautet das finale, letale Motto. Der Liebeswalzer wird zum Totentanz. Es geht ans Sterben. Der eigenen, inneren Verwesung kann mit Gift nachgeholfen werden. Am Ende eine lange Schrecksekunde und langer Applaus.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

Info
"Quartett" von Heiner Müller, Theater in der Josefstadt, Regie: Hans Neuenfels, Bühnenbild und Kostüme: Reinhard von der Thannen, Mit: Elisabeth Trissenaar - Merteuil, Helmuth Lohner - Valmont, Nächste Vorstellungen: 7., 8., 9., 17., 18., 19. Februar; Karten: 01 / 42 700-300, www.josefstadt.org


 
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