Volksoper-Interview

Dirigent Weigle über die Tiefland-Produktion

12.10.2007

Der Berliner Sebastian Weigle ist Dirigent der "Tiefland"-Produktion an der Volksoper. Lesen sie hier das Interview.

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Warum wird d’Alberts Oper so selten gespielt?
Sebastian Weigel: Tiefland wurde 20 Jahre nicht mehr gespielt, und ich frage mich selber, woran das liegt. Gab es keine Regisseure, die sich dafür interessierten? Wenn man den Text eins zu eins durchliest, dann denkt man natürlich: Das ist ganz schön platt, das ist die Sprache von ganz einfachen Leuten. Aber darum geht es doch auch: Das sind ganz einfache Leute. Doch die Musik ist so grandios, die gehört auf Fälle gespielt. Musikalisch ist es ein Meisterwerk ohne Ende. Und jetzt erlebt es eine Renaissance. Viele Häuser in Deutschland spielen wieder Tiefland.

Was macht Tiefland zum Meisterwerk?
Es enthält viel französisches Flair und ist unglaublich lyrisch. Tiefland verfügt über einen unendlichen Reichtum an Melodien, und es eine der ersten Oper, die durchkomponiert ist. Die Szenen fließen ineinander über. Der Zuschauer kriegt sofort mit, wohin die Geschichte geht und kann sich richtig fallen lassen. Auch nach einem Achtstunden-Arbeitstag. Kritiker sagen, da kommen nur vier Themen vor und die werden in verschiedenen Tonarten abgehandelt. Aber das ist gerade die Kunst: D’Albert arbeitet wie Wagner mit Leitmotiven: Wenn das Thema des Wolfs anklingt, dann wird auf der Bühne auch über den Wolf gesprochen. Diese Themen werden verfremdet, vergrößert, verkleinert, umspielt, und das alles in höchster Meisterschaft.

Die Handlung unterscheidet zwischen dem „sündigen“ Tiefland und der „reinen“ Bergwelt.
Die Berge stehen für Freiheit, dort gibt es keinen Zank und Hader. In der Natur herrscht die große Freiheit. Diese Liebe und Sehnsucht zu den Bergen hat sich im letzten Jahrhundert nicht verändert. Ich persönlich mag ja lieber die Ebene und das Meer.

Wie setzt d’Albert diese Sehnsucht nach den Bergen musikalisch um?
Schalmeien waren das Hirteninstrument in den Bergen. Das wird mit vielen Klarinettensoli umgesetzt. Wir machen das auch visuell sichtbar: Ein Schalmeienspieler, das heißt ein Klarinettist, kommt im Vorspiel auf die Bühne und spielt diese Berg- und Tal-Themen, die sich lautmalerisch mit dem Echo spielen. Das ist eine besondere Freude.

In Barcelona, wo Sie Generalmusikdirektor am Gran Teatre del Liceu sind, arbeiten Sie nach dem Stagione-Prinzip. Wie schwer fällt die Umstellung auf den Repertoire-Betrieb?
Das geht mir manchmal wirklich auf die Nerven. Ich verstehe dieses System nicht immer. Warum müssen alle Musiker bei angesetzten sechs, in Worten: sechs, Vorstellungen in dieses Stück eingearbeitet werden? Dass man für den Fall von Krankheiten eine zweite Besetzung braucht, ist klar. Aber warum muss es eine dritte Besetzung und manchmal noch eine vierte geben? Da fängt man dann bei manchen Proben wieder bei zehn Prozent an und muss alles wiederholen. Im Stagione-Betrieb habe ich von der ersten Probe bis zur letzten Vorstellung dieselben Musiker im Orchester. Aber wie schnell ich im Orchester eine Qualität erreichen kann, ist natürlich immer die wichtigste Frage.

Wie stehen Sie zum Regietheater, das Opern gerne auf den Kopf stellt?
Ich muss einmal grundsätzlich sagen: Ich mag das Regietheater. Aber wenn ein Stück so sehr entfremdet wird, dass es im Grunde gar nicht mehr stattfindet, das unterstütze ich nicht. Wenn das Stück Die Zauberflöte heißt, dann möchte ich Die Zauberflöte sehen.

Diesmal heißt das Werk Tiefland
Das Stück heißt Tiefland, und wir werden auch Tiefland zeigen. Aber es ist in den 70er Jahren angesiedelt: Diese Zeit hat einen unerschöpflichen Reichtum an Farben und Farbkombinationen, die heute manchmal out, aber oft schon wieder in sind. Ich finde, das passt ganz gut. Die Handlung spielt sich im Inneren einer großen Mühle ab und durch das Licht werden verschiedene Intimitäten hergestellt und Stimmungen erzeugt.

Ihre siebente Produktion an der Volksoper ist gleichzeitig die erste der Ära Meyer. Spüren Sie einen frischen Wind unter dem neuen Direktor?
Der rote Teppich in der Direktion ist neu, aber es ist auch sonst unglaublich viel passiert. Ich glaube, man nimmt die Volksoper stärker wahr. Mir gefällt dieser neue Anstrich.

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