Ein unlogischer „Don Giovanni“ im Theater an der Wien wurde zum Erfolg.
Regisseur Keith Warner lässt Don Giovanni in einem Hotel spielen. Zu Beginn beklagt Leporello, der Portier, er habe „keine Ruh’ bei Tag und Nacht“. Dann kommt der Lift von einem der oberen Stockwerke, heraus stürzen eine junge Frau und ein maskierter Mann. Ob Nötigung oder Hingabe diesem Auftritt vorangingen? Einem zweiten Lift entsteigt der Vater, stellt den Maskenmann zur Rede, wird ermordet, es treten auf Polizei, Arzt, Fotoreporter. Der Maskierte ist, man ahnt es bald, der Hoteldirektor, dessen erotische Neigungen den weiblichen Gästen und Angestellten seines Hauses gelten. So beginnt Mozarts Oper im Theater an der Wien.
Der Regisseur misstraut dem Libretto
Dieser Start ist bloß ein
Bluff. Der Fortgang der Inszenierung widerspricht da Pontes Text und auch
Mozarts Musik. Warner befrachtet jede Szene mit illustrativem Beiwerk und
übermäßiger Action, weil er dem Libretto misstraut. Das wirkt zunächst
amüsant, später ermüdend, zuletzt ärgerlich. Nicht die Charaktere der
Menschen auf der Bühne werden gezeigt, sondern einzelne Situationen, die
sich zu keiner Dramaturgie verbinden. Um die Unsinnigkeiten dieser
Inszenierung aufzuzählen, bedürfte es eines Registers, das länger ist als
jenes, aus dem Leporello vorliest.
Dirigentenwechsel knapp vor Premiere
Das Ensemble der Aufführung
hat einen seltsamen Hang zum undifferenzierten Forte, musste allerdings
knapp vor der Premiere einen Dirigentenwechsel verkraften. Riccardo Frizza
am Pult des RSO Wien hat starke Nerven – auch dann, wenn Bühne und Orchester
sich zweigleisig fortbewegen. Einzig Erwin Schrott bleibt gegenüber Regie
und Dirigat souverän. Er könnte ein fabelhafter Giovanni sein und ist hier
zumindest ein fabelhafter Gigolo, meisterhaft im ausgeformten Rezitativ,
nuancenreich im ausdrucksvollen Singen. Ihm galt der stärkste Beifall.