Ästhetisch und tragisch

"Don Juan" mit Stummfilmästhetik

18.08.2014

Starke Bilder und ein gebrochener (Frauen)Held als Quintessenz.

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© APA / Barbara Gindl
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"Es wird immer wärmer", sagt Don Juan, macht den Oberkörper frei und kauert sich auf den Boden. Rund um ihn zerstoßen Frauen angeschleppte Eisblöcke und begraben ihn unter dem Eis. Das Schlussbild von Andreas Kriegenburgs Salzburger Festspiel-Inszenierung des Horvath-Stücks "Don Juan kommt aus dem Krieg" steht für den gesamten Abend, der mit starken, geheimnisvollen Bildern aufwartet.

Lange Geschichte
Das 1918 spielende, 1936 fertiggestellte und erst 1952 am Wiener "Theater der Courage" uraufgeführte Werk sei "ein Stück, das sich nicht benutzen und nicht entschlüsseln lässt", hatte der Regisseur im Interview gesagt. "Und man darf es auch nicht enträtseln." Im Gegenteil: Kriegenburg fügt den Geheimnissen des heute selten gespielten Stücks, das als Scharnier zwischen Erster Weltkriegs-Schwerpunkt und "Don Giovanni" perfekt in das heurige Festspielprogramm passt, noch einige hinzu. In der expressiven, an Kriegenburgs einstiges Kafka-Konzept ("Der Prozess" gastierte vor fünf Jahren auch bei den Wiener Festwochen) erinnernden Stummfilm-und Slapstick-Ästhetik des 105-minütigen Abends sind jene, die das Stück kürzlich gelesen haben, deutlich im Vorteil.

Gebrochener Don Juan
Weil dieser Krieg jeden verändert, kehrt auch Don Juan als ein gänzlich anderer zurück - gebrochen, geläutert, geängstigt. Seine Braut, der sich der Heimkehrer in sehnsüchtigen Briefen ankündigt, wird er nicht mehr sehen. Sie ist unterdessen gestorben. Doch er begegnet auf Schritt und Tritt dem eigenen Mythos, der biedere Gattinnen, durch den Krieg eigenständig und selbstbewusst gewordene Frauen und junge Schulmädchen reflexartig schmachten und Lippen wie Röcke schürzen lässt. Kriegenburg zeigt dies als spieldosenartigen Mechanismus und lässt den Darstellerinnen mit weiß geschminkten Gesichtern und groteskem Bewegungs-Repertoire wenig Chance auf individuelle Erscheinung: Ästhetik geht vor Tragik. Es zählt das Ganze, nicht das Einzelne.

Im neunköpfigen Frauenensemble (darunter Olivia Grigolli, Elisa Plüss und Natali Seelig) gibt es dennoch immer wieder einzelne Glanzlichter wie Traute Hoess als bösartige Großmutter und Sabine Haupt als ihre Magd. Im Getümmel der übersteigerten, verfremdeten Weiblichkeit ist Max Simonischek als Kriegsheimkehrer Don Juan der einzig Normale. Dass er durch seine Erfahrung an der Front, durch seine Verletzung (nicht von ungefähr "am Herzen") die geänderte Gesellschaft, aber auch durch sein Vorleben in die von ihm gesuchte Normalität nie mehr zurückfinden wird, macht er in einer starken Leistung nachvollziehbar.

Nicht einfach, aber gut
Mit seiner ästhetischen Engführung, aber auch mit einer musikalischen Dauer-Untermalung von Mozart bis Chatschaturjan, die wenig Platz zum Durchatmen, Nachdenken, Innehalten lässt, macht es Kriegenburg dem Zuschauer nicht ganz einfach. Beim Schlussapplaus überwog jedoch die Zustimmung, auf wenige Buhs folgten deutlich lautere Bravos. Bereits am 20. September folgt in Frankfurt mit "Glaube Liebe Hoffnung" die nächste Horvath-Inszenierung Kriegenburgs. Und für die übernächste Saison wird sein Burg-Comeback vorbereitet.

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