Stockholm
Doris Lessing erhält Literatur-Nobelpreis
11.10.2007
Der Literatur-Nobelpreis 2007 geht an Doris Lessing. Der Preis ist mit 1,1 Millionen Euro dotiert. 2006 erhielt Orhan Pamuk die Auszeichnung.
An keinem anderen Stand der Frankfurter Buchmesse ging es gestern so heiß her wie an jenem des Verlags Hoffmann & Campe. Die Sektkorken knallten, um die neue Literaturnobelpreisträgerin Doris May Lessing zu feiern, deren aktuelles Buch Die Kluft gerade erschienen ist.
Lessings Reaktion
Doris Lessing hat sich mit ironischer Distanz zu ihrem Literaturnobelpreis geäußert. "Ich weiß nicht, warum ihr Herz erweicht ist", sagte die 87-Jährige am Donnerstag in einem TV-Interview mit dem Sender BBC. "Meine Arbeit hat sich nicht verändert." Aber vielleicht hätten sie sich verändert, betonte sie mit Blick auf die Schwedische Akademie.
"...bevor ich abkratze"
In einem BBC-Radiointerview erzählte sie, in den 60er Jahren hätte die Akademie extra "einen ihrer Günstlinge" zu ihr geschickt, um ihr zu sagen, "dass sie mich nicht mögen und ihn mir nie geben werden". "Nun haben sie entschieden, ihn mir zu verleihen. Warum? Warum mögen sie mich jetzt mehr als vorher?" Sie fügte hinzu: "Sie können den Nobelpreis keinem Toten geben. Deshalb haben sie wahrscheinlich gedacht, ihn mir besser jetzt zu geben, bevor ich abkratze." Nun würde es "eine Menge Reden und Blumen" geben. "Das wird sehr schön sein." Auf die Begründung der Akademie, Lessing sei eine "Epikerin weiblicher Erfahrung, die sich mit Skepsis, Leidenschaft und visionärer Kraft eine zersplitterte Zivilisation zur Prüfung vorgenommen hat", meinte die Autorin: "Oh Gott, haben sie das über mich gesagt?"
Lessing ist eine Überraschung
Mit der Wahl der im heutigen Simbabwe aufgewachsenen und heute in London lebenden Autorin hat die Nobelpreis-Akademie wieder einmal für eine Überraschung gesorgt. Denn als Favoriten hatten Philip Roth, Claudio Magris, Umberto Eco und Michael Ondaatje gegolten. Die Stockholmer begründen ihre Entscheidung damit, dass Lessing eine „Epikerin der weiblichen Erfahrung“ sei und mit „Skeptizismus, Feuer und visionärer Kraft eine gespaltene Zivilisation zur Prüfung vorgenommen“ habe.
Afrika
Als Hauptwerke der feministischen Autorin, die ihre Eindrücke aus Simbabwe auch in ihren Arbeiten wiedergab, gelten Eine afrikanische Tragödie, mit dem sie 1953 Weltruhm erlangte, Das goldene Notizbuch und die Autobiografie Unter der Haut. Lessings neuer Roman Die Kluft schildert die Fiktion einer Welt ohne Männer. Lessing ist die elfte Frau, die den Literaturnobelpreis erhält. Sie bekommt am 10. Dezember umgerechnet 1,1 Mio.Euro.
Vergabe
Gegen wen sich die neue Literaturnobelpreisträgerin durchgesetzt hat, wird man erst in 50 Jahren erfahren. Denn so lange muss geheim bleiben, wer sich noch auf der Liste des Nobelkomitees befunden hat. Die Entscheidung der Akademie beruht auf einem Vorschlag des Komitees, für den Empfehlungen von über 600 Literaturexperten aus aller Welt eingeholt werden.
Vorgänger
In den vergangenen Jahren entschied man sich für Orhan Pamuk (2006), Harold Pinter (2005) und die Österreicherin Elfriede Jelinek (2004).
Autor: ÖSTEREICH/ Theresa Steininger
Beim Einkaufen vom Nobelpreis erfahren
Der Chef der Akademie, Horace Engdahl, sagte über die völlig überraschende Vergabe: "Dies ist eine der wohldurchdachtesten Entscheidungen, die wir jemals getroffen haben." Lessing konnte bis Donnerstagmittag noch nicht verständigt werden. Ihr Agent Jonathan Clowes erklärte, die am 22. Oktober 1919 in Kermanschah (damals Persien) geborene Lessing sei derzeit beim Einkaufen. "Wir sind hoch erfreut, und das ist sehr verdient", sagte Clowes zu der Ehrung.
Welt ohne Männer
Die am 22. Oktober 1919 in Kermanschah (damals Persien) geborene Literatur-Nobelpreisträgerin Doris Lessing sei die "Epikerin der weiblichen Erfahrung" und habe mit "Skeptizismus, Feuer und visionärer Kraft eine gespaltene Zivilisation zur Prüfung vorgenommen hat", heißt es in der Begründung der Nobelpreis-Jury. Lessings neuer Roman heißt "Die Kluft" und zeigt eine Welt ohne Männer.
Der Chef der Akademie, Horace Engdahl, sagte über die völlig überraschende Vergabe: "Dies ist eine der wohldurchdachtesten Entscheidungen, die wir jemals getroffen haben." Lessing konnte bis Donnerstagmittag noch nicht verständigt werden. Ihr Agent Jonathan Clowes erklärte, die am 22. Oktober 1919 in Kermanschah (damals Persien) geborene Lessing sei derzeit beim Einkaufen. "Wir sind hoch erfreut, und das ist sehr verdient", sagte Clowes zu der Ehrung.
Literatur-Nobelpreis
Lessing ist die elfte Frau, die den begehrtesten Literaturpreis der Welt zuerkannt bekommt. Seit der ersten Vergabe 1901 wurden umgekehrt 93 Männer ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr erhielt der türkische Autor Orhan Pamuk den Nobelpreis. Der Preis ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert und wird am 10. Dezember vom schwedischen König Carl XVI. Gustaf überreicht.
Preisverleihung
Die feierliche Verleihung der Nobelpreise in Stockholm findet traditionell am 10. Dezember statt - an Alfred Nobels Todestag.
Eine Kurzbiografie
Geboren am 22. Oktober 1919 (bürgerlicher Name: Doris May Taylor) zog sie 1925, als Sechsjährige nach Simbabwe, welches unter britischer Herrschaft stand. Nach Kloster- und Mädchenschulen brach die 14-Jährige ihre Schullaufbahn ab und arbeitete als Kindermädchen, Telefonistin, Büroangestellte, Stenografin und Journalistin. 1939 heiratete sie Frank Wisdom, die Ehe hielt vier Jahre. In dieser Zeit wurde sie Mutter einr Tochter und eines Sohnes. 1945 heiratete sie erneut. Aus der Ehe mit Gottfried Lessing stammt ebenso ein Sohn. Nach der Scheidung, erneut nach vier Jahren im Jahr 1949, blieb der Sohn bei ihr. Der Durchbruch ist ihr 1962 mit dem Werk "Das goldene Notizbuch" gelungen. Lessings Werk sei von der Frauenbewegung als Pionierleistung angesehen worden. "Es gehört zu der Handvoll Bücher, die über die Sicht der Mann-Frau-Beziehung des 20. Jahrhunderts informieren." In "Rückkehr nach Afrika" (1992) beschrieb sie ihren ersten Besuch im Land ihrer Jugend, den sie nach jahrelangem Einreiseverbot 1982 unternehmen konnte.
Die Reaktionen auf die Preisverleihung
Reaktionen: Elfriede Jelinek
Tendenziell positiv sind die ersten Reaktionen auf die Vergabe des Literatur-Nobelpreises an Doris Lessing in Österreich ausgefallen. "Das war längst überfällig", meinte etwa Elfriede Jelinek, die die Auszeichnung vor drei Jahren selbst entgegennehmen durfte. "Ich hatte sogar gedacht, sie hätte ihn schon längst." Lessings "Das Goldene Notizbuch" sei "sicher eines der wichtigsten feministischen Werke der Literatur überhaupt". Sie habe "leider länger nichts mehr von ihr gelesen", so Jelinek. "Ich werde das aber nachholen."
Reaktionen: Michael Köhlmeier
Michael Köhlmeier zeigte sich dagegen "ein bisschen enttäuscht". Lessing habe den Nobelpreis "sicher verdient", sagte er in einer ersten Reaktion. Es sei jedoch "unverständlich" und "fast eine Trotzhaltung" der Akademie, dass der US-Autor Philip Roth wieder nicht zum Zug gekommen ist. Roth werde seit Jahren übergangen, möglicherweise habe es auch "politische Gründe", dass Schriftsteller aus den USA diesen Preis schon lange nicht mehr bekommen haben.
Reaktionen: Marcel Reich-Ranicki
Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki nannte die Entscheidung der Nobelpreis-Jury für Doris Lessing enttäuschend. "Ich finde sie bedauerlich", sagte der 87-Jährige am Donnerstag in Frankfurt. Er sei der Ansicht, dass die angelsächsische Welt, "viele, jedenfalls mehrere bedeutendere, wichtigere Schriftsteller hat". Er habe erneut erwartet, dass Philip Roth oder John Updike ausgezeichnet werden. "Weder der eine, noch der andere hat den Preis bekommen, na ja."
Reaktionen: Umberto Eco
Der italienische Schriftsteller Umberto Eco hat die mit dem Literaturnobelpreis geehrte Doris Lessing als "große, individuelle literarische Seele" bezeichnet. "Sie verdient ihn zweifellos", sagte der Autor und Wissenschaftler am Donnerstag auf der Frankfurter Buchmesse. "Es ist sehr außergewöhnlich, dass sie (die Schwedische Akademie) den Preis zwei Mal in so kurzer Zeit an das gleiche Land verleiht", sagte Eco unter Verweis auf den Briten Harold Pinter, der 2005 die mit 1,1 Millionen Euro dotierte Auszeichnung erhielt.
Reaktionen: Gottfried Honnefelder
Der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder, hat den Literaturnobelpreis für Doris Lessing als "großartig" bezeichnet. "Ich finde es fabelhaft", sagte Honnefelder, der selbst Verleger ist, der Deutschen Presse-Agentur dpa auf der Frankfurter Buchmesse am Donnerstag. "Ein solcher Preis hat ja nicht nur einen Entdeckungssinn, sondern auch einen Wiederentdeckungssinn." Jetzt könne jeder die Bücher von Lessing wieder herausholen.
Reaktionen: Lessings Verlag "Hoffmann und Campe"
Lessings deutscher Verlag Hoffmann und Campe zeigte sich am Donnerstag auf der Frankfurter Buchmesse sehr erfreut. "Es ist ein großes Glück für den Verlag. Natürlich haben wir immer gehofft, dass Doris Lessing den Literaturnobelpreis erhält", erklärte Geschäftsführer Günter Berg. Er erinnerte daran, dass die Autorin erst am Mittwoch zu einer Lesung in Hamburg gewesen sei. Berg beschrieb sie als eine hochsympathische Frau, die sich nie habe vereinnahmen lassen.
Werke von Doris Lessing
The Grass Is Singing (1949) (Afrikanische Tragödie)
The Children of Violence Series (Kinder der Gewalt) (1951-1959)
Martha Quest (Martha Quest)
A Proper Marriage (Eine richtige Ehe)
Each His Own Wilderness (Jedem seine eigene Wildnis)
A Ripple from the Storm (Sturmzeichen)
Landlocked (Landumschlosssen)
The Four-Gated City (Die viertorige Stadt)
The Golden Notebook (Das goldene Notizbuch) (1962)
The Temptation of Jack Orkney and other stories
A Small Personal Voice (Essays)
Briefing for a Descent into Hell (Anweisung für einen Abstieg zur Hölle) (1971)
The Summer Before the Dark (Der Sommer vor der Dunkelheit), (1973)
Memoirs of a Survivor (Die Memoiren einer Überlebenden) (1974)
The Canopus in Argos: Archives Series (Canopus in Argos: Die Archive) (1979–1983)
Shikasta (Shikasta), (1979)
The Marriages Between Zones Three, Four, and Five (Die Ehen zwischen den Zonen Drei, Vier und Fünf)
The Sirian Experiments (Die sirianischen Versuche)
The Making of the Representative from Planet 8 (Die Entstehung des Repräsentanten von Planet 8)
Documents Relating to the Sentimental Agents
Stories (Sammlung)
Pseudonym Jane Somers
The Diary of a Good Neighbour (1983)
If the Old Could... (1984)
The Good Terrorist (Die Terroristin) (1985)
The Fifth Child (Das fünfte Kind) (1988)
Autobiografisches
Under My Skin: Volume One of My Autobiography, to 1949 (Unter der Haut) (1995)
Walking in the Shade: Volume Two of My Autobiography 1949 to 1962 (Schritte im Schatten) (1997)
Love, Again (Und wieder die Liebe) (1996)
Mara and Dann (Mara und Dann) (1999)
Ben, in the World (Ben in der Welt), Fortsetzung von (Das fünfte Kind, 2000)
The Sweetest Dream (Ein süßer Traum)
Ein Kind der Liebe (2004)
INFO-Box: Alle Literatur-Nobelpreisträgerin nach dem zweiten Weltkrieg
1946 Hermann HESSE (Schweiz, geb. in Deutschland) |