Burg-Chef Matthias Hartmann versuchte sich an Grillparzer-Stück.
"Öffne dich, du stille Klause, / Denn die Ahnfrau kehrt nach Hause!" So heißt es am Ende von Franz Grillparzers Schauerdrama "Die Ahnfrau", und am Ende des zweistündigen Versuchs von Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann, das selten gespielte Stück zu neuem Leben zu erwecken, wünschte sich gestern so mancher Zuschauer, das Gespenst wäre in der Theatergruft geblieben und hätte nicht leibhaftig im Burgtheater-Kasino vorbeigeschaut. Fast 200 Jahre hat es auf dem Buckel, und in der Gegenwart scheint es sich nicht wirklich zurecht zu finden.
Frauen von Männern gespielt
Hartmann lässt die acht Rollen von sechs Männern spielen, vielleicht eine Spiegelung zu seiner vorangegangenen Jelinek-Inszenierung "Schatten (Eurydike sagt)", in der mit Ausnahme eines archetypischen Orpheus' sieben Frauen spielten. Auch Berta, die herzensgute und treue Tochter des alten böhmischen Grafen Borotin (Ignaz Kirchner) und die ihr aus dem Gesicht geschnittene titelgebende Ahnfrau, deren Untreue einst einen Fluch begründete, der erst mit dem Tod des letzten männlichen Nachfahren erlischt, werden von Männern dargestellt: Maik Solbach bemüht sich als Berta redlich, doch wandelt in wallendem Glitzer-Kleid dennoch stets am Rande der Travestie-Show. Und Sven Dolinski (als übereifriger Soldat darf er zwischendurch seinen Mann stehen) muss sich überhaupt auf einen albernen Mummenschanz einlassen, der so gar nicht in Rechnung stellt, dass in der "Ahnfrau" natürlich aus der Tiefe der menschlichen Seele kommende Ängste irrlichtern.
Versuch vom Lächerlichen ins Ernshafte zu gelangen
Er sei von einem "gewissen parodistischen Ansatz" ausgegangen und versuche "mit allen Mitteln der Verführung" über das Lächerliche hinaus zu einer ernsthaften Rezeption zu gelangen, hatte Hartmann in einem APA-Interview seinen Regie-Ansatz erläutert. Das klappt nur in wenigen Momenten. Zwar bedient er in dem von zahlreichen brennenden Kerzen erleuchteten Saal, in dessen linker hinterer Ecke der Bühnenbildner Volker Hintermeier bis zur Decke Sessel aufgetürmt hat und der ansonsten bis auf Notenpulte, ein erleuchtetes Kreuz und jenen Dolch, mit dem sich das Schicksal der Borotins erfüllen wird, leer ist, durchaus der schaurigen Atmosphäre, die auf dem halb verfallenen Schloss herrscht in dieser stürmischen Nacht, doch rieseln einem als Zuschauer nur selten kalte Schauer über den Rücken.
Tragödie um Inzest und Vatermord
Die nur halb identifikatorische Spielweise von Johann Adam Oest als milder Kastellan und Oliver Masucci als wilder Jaromir, der tot geglaubte Grafensprössling, der nun als Räuber zurückkehrt und sogleich in eine wüste Tragödie um Inzest und Vatermord verstrickt wird, bei der augenzwinkernd und -rollend der Zuschauer immer wieder mit einbezogen wird, baut jedoch eine ironische Distanz auf, die immer wieder fragen lässt: Warum hat man den Deckel nicht drauf- und die "Ahnfrau" in der Gruft gelassen? Da lobt man sich den ehrlich von Rachedurst erfüllten Hauptmann von Franz J. Csencsits oder den leidenden alten Grafen, den Ignaz Kirchner trotz aller Härtefälle des Schicksals mit weichen Schatten zeichnet. Einmal mehr liefert Karsten Riedel einen gelungenen Live-Soundtrack.
Fazit
An seinen ebenfalls im Kasino gefeierten Erfolg mit "Krieg und Frieden" kann Hartmann mit der "Ahnfrau" nicht anschließen. Mit Tolstoi konnte er deutlich mehr anfangen als mit Grillparzer. Die Ahnfrau scheint erlöst. Allzu bald dürfte sie nicht wiederkehren. Freundschaftlicher Applaus.
Info
"Die Ahnfrau" von Franz Grillparzer, Regie: Matthias Hartmann, Bühne: Volker Hintermeier, Kostüme: Victoria Behr, Video: Stephan Komitsch, Moritz Grewenig, Musik: Karsten Riedel, Licht: Peter Bandl. Mit Franz J. Csencsits, Sven Dolinski, Ignaz Kirchner, Oliver Masucci, Maik Solbach und Johann Adam Oest. Burgtheater-Kasino, Nächste Aufführunge (www.burgtheater.at)