Buch der Woche

Eine, die sich nimmt, was ihr (nicht) gehört – und doch zusteht

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"Die Schwarzgeherin": Roman über eine Frau, die ausbrechen möchte in die Selbstbestimmung

Die an der österreichisch-deutschen Grenze geborene Autorin Regina Denk kennt man unter anderem als Verfasserin von launigen bayrischen Dorfkrimis: Unter dem Pseudonym Fanny König lässt sie Pfarrer Meininger ermitteln.

Bitterhart. Nun wagt sich Denk geografisch und genremäßig auf neues Terrain. Ihr Roman Die Schwarzgeherin (so nennt man eine, die wildert und damit nimmt, was ihr nicht gehört) spielt in Tirol Ende des 19. Jahrhunderts. Entbehrungsreich, freudlos und bitterhart ist das Leben in dem abgelegenen Alpental. Die junge Theres kennt die Regeln für Frauen: Wenn sie alt genug ist, soll sie heiraten; den Leopold vom Nachbarhof. Dieser ist zwar ihr bester Freund und doch ... sehnt sich Theres nach etwas anderem. Als der mysteriöse Xaver auftaucht, bricht Theres aus dem vorbestimmten Leben aus.

Historischer Roman, mit aktuellen Bezügen

Outlaw. Die Autorin hält sich nur kurz mit Unheil verheißenden Metaphern auf, dann gibt es Klartext: „Nix als Leid und Schmerz hat sie erfahren, nix als Undank und Missgunst.“

Die Geschichte von Theres, die als Erwachsene ein Leben als Outlaw führt, als Heilerin und Hebamme, die immer erst dann geholt wird, wenn es fast schon zu spät ist, wird in zwei Zeitebenen erzählt. So lernen wir auch ihre Tochter Maria kennen.

Für die Autorin ist die Geschichte ein Gedankenexperiment: Was passiert, wenn Frauen Grenzen überschreiten? Denk ist neben einer eindringlichen Geschichte hier etwas Seltenes gelungen: Eine Gleichzeitigkeit zwischen damals und heute, ein Text den man historisch fühlt und der auch jetzt funktioniert. Das ist berührend wie erschreckend. Und darum umso wichtiger.

Regina Denk: "Freiheit ist für Frauen überall noch immer aussichtslos"

oe24: „Für mich, Für alle Frauen, Für alle“. Warum haben Sie sich für diese Widmung entschieden?

Regina Denk: Ich bin 42 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern, Schwester, Tochter, Ehefrau – je älter ich werde, desto mehr habe ich das Gefühl, zwischen all diesen Rollen erst jetzt zu wissen, was ich eigentlich will, je mehr spüre ich aber, wie mir scheinbar für alles die Zeit davonläuft, wie ich mich zwischen lauter Zwängen kaum mehr entscheiden kann, nicht mehr frei fühle. Ich wollte die Geschichte erzählen dieser Frau, die in ihrer kleinen Welt das große Leben sucht, die, in ihren Fesseln hängend, fliegen will – weil ich mich oft so fühle, weil ich vermute, dass sich viele Frauen so fühlen.

oe24: Wie ist – im Vergleich zum Roman – die Lage für Frauen aktuell?

Denk: Leider hat sich die Welt nicht viel weitergedreht. Ja, seit recht kurzer Zeit „dürfen“ Frauen vor dem Gesetz mehr, sind sie auf dem Papier, in der Theorie, etwas besser geschützt – aber die Realität beweist im Grunde täglich und in wirklich jedem Land, dass Freiheit immer noch aussichtslos ist. (...) Meine Geschichte spielt in Österreich, dem Land, das heute EU-weit das Land mit den meisten Femiziden ist. Frauen, die nicht ins System passen, haben es heute nicht leichter als damals. 

Regina Denk: "Die Schwarzgeherin"

Regina Denk:
© Droemer Verlag
× Regina Denk:

Das entbehrungsreiche Leben in ihrem von Aufklärung und Fortschritt vergessenen Dorf hat die 18-jährige Theres hart werden lassen – aber auch mutig, stolz und stark. Als Xaver auftaucht, verliebt sie sich.

Droemer

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