Binder gestaltete Text wie griechische Tragödie - Autorin im Prolog selbst zu hören.
Fünf Frauen und ein Mann, nach einer atomaren Katastrophe eingeschlossen, auf sich selbst reduziert und alle Vorgänge ohne Emotionen beschreibend, werden der zornigen Anklage einer "Trauernden" gegenübergestellt: Elfriede Jelineks Drama "Kein Licht", das in einer erweiterten Fassung am 2. September im Grazer Dom im Berg seine österreichische Erstaufführung hatte, schildert in überwältigenden Sprachkaskaden Reaktionen auf das drohende Ende. Regisseur Ernst M. Binder gruppierte die Darsteller streng wie in einer griechischen Tragödie und schuf dadurch eine eindringliche Präsenz des Textes.
Autorin liest selbst
Zu Beginn ist Elfriede Jelinek in der Produktion von dramagraz selbst vom Band mit einem kurzen Monolog zu hören, der im Gegensatz zum übrigen Text lakonisch klingt - fast wie ein Schulterzucken angesichts der Katastrophe. Dann folgt die sogenannte "Sprechoper", die Regisseur Binder auf fünf Schauspielerinnen (Ronja Jenko, Eva Kessler, Mona Kospach, Gina Mattiello, Ninja Reichert) und einen Schauspieler (Werner Halbedl) aufteilt. Im leeren Bühnenraum wirken die hell gekleideten Frauen verletzlich, angespannt, fragend.
Fukushima zentrales Thema
Obwohl nie über das eigentliche Geschehen gesprochen wird, wird klar, was passiert ist. Von Strahlen ist die Rede, und von Tönen, die keiner mehr hört, von Stimmen, die leiser werden. Das alles wird klar in den Raum gestellt, gespielt wird so gut wie gar nicht. Lediglich ein goldenes Fahrrad, auf dem sich der Mann abstrampelt, fällt etwas aus dem Rahmen und bringt Bewegung. Einen großen Teil lässt Binder einfach von den Frauen als Chor sprechen, was, so bemerkenswert präzise das auch gemacht wird, doch ein wenig eintönig wirkt. Faszinierend dagegen die Klänge und Töne, die sich unaufdringlich, aber ausdrucksvoll unter den Text mischen und so eine beklemmende Stimmung erzeugen.
Aufbegehren gegen die Katastrophe
Nach der Pause zeigte Libgart Schwarz als "Trauernde" eine andere Perspektive, nun ging es nicht mehr ums Betrachten und Verschwinden, sondern um eine Anklage, um ein Aufbegehren gegen die Katastrophe: "Jetzt sehe ich schon klarer, aber diese Klarheit ist nicht hell. Und eigentlich sehe ich gar nichts. Hell? Es darf nie wieder das Wort Helligkeit ausgesprochen werden, denn es hat den künstlichen Beigeschmack, der dem Tod zugesetzt wird, damit wir uns ihm nicht nähern." Differenziert und unsentimental stellte die Darstellerin den Epilog dar, der sich nicht ganz so ausufernd wie der vorhergehende Teil des Stücks jeden einzelnen Gedanken variiert, weiterspinnt und gerne auch ins Gegenteil verkehrt. Wenn es heißt: "Irgendwo ist nicht heute und nicht gestern, dort leben die dann immer, die niemand sind, die niemand sieht, die dazwischen, und niemand weiß, woher sie gekommen sind. Wenn sie aber vor der Zeit sterben, dann wird irgendjemand Gewinn mit ihnen machen. Es wird immer Gewinn gemacht. Verrückt. Und sind wir tot, dann haben die, die das wollten, alles. Dann haben sie alles", dann braucht das nicht weiter erklärt werden. Der Regisseur lässt die Textmonumente auch einfach stehen, wodurch der Abend schon aus der Sprache heraus überzeugt.
Info
"Kein Licht" von Elfriede Jelinek. Österreichische Erstaufführung der erweiterten Fassung. Regie: Ernst M. Binder, mit Ronja Jenko, Eva Kessler, Mona Kospach, Gina Mattiello, Ninja Reichert, Werner Halbedl. Weitere Aufführungen: 3., 4., 5. und 6. September im Dom im Berg in Graz. Diese Produktion wird auch in der Schweiz (14./15.9.) und in Wien (24. September bis 5. Oktober) gezeigt.dramagraz.mur.at