Direktion Matthias Hartmann startete mit weitgehend konventioneller, ganz auf die prominenten Protagonisten zugeschnittener Inszenierung.
Nach drei Stunden 15 Minuten (inklusive Pause) war Freitag Abend der erste Streich vorbei und die Burgtheater-Direktion von Matthias Hartmann eröffnet. Indes: Hartmann, der Regisseur der Eröffnungspremiere von "Faust I", zeigte sich vor dem folgenden zweiten Teil des Goethe-Dramas noch nicht, und so nahm das Ensemble, allen voran Tobias Moretti als Faust, Gert Voss als Mephisto, Katharina Lorenz als Gretchen und Maria Happel als Marthe Schwerdtlein den Jubel des Publikum ohne Spielleiter entgegen. Die Spannung hatte jedoch in der knappen Stunde Spielzeit nach der Pause spürbar nachgelassen, und es wurde deutlich, was zunächst durch die glänzenden Protagonisten überdeckt worden war: Dieser "Faust" hat kein klares, überzeugendes Konzept zu bieten.
Mit einer Ausnahme: Die mannigfaltigen kubischen Objekte des Bühnenbildners Volker Hintermeier prägen die Szenenfolge. War Christoph Marthalers Version des Stückes in den 90er Jahren als "Wurzel-Faust" in die Interpretationsgeschichte eingegangen, so kann Hartmanns Versuch als "Würfel-Faust" gelten: Die Welt ist in dieser Aufführung keine Kugel, sondern ein Kubus. An einem Rechenfehler des Wissenschafters Heinrich Faust kann das nicht liegen. Der bedient sich modernster Hilfsmittel, hämmert zunächst in, danach jedoch auf seinen Laptop. Faust zweifelt an seinem Tun - der Mac kommt in den Häcksler.
Linie zwischen klassischen Versen und moderner Zeit
Dieser "Faust I" versucht zwischen den klassischen Versen und der modernen Zeit seine eigene Linie zu finden, bietet dafür aber nur selten mutige oder überzeugende Bilder. Dafür erweisen sich der über weite Strecken glatzköpfig agierende Tobias Moretti, der sich in der Hexenküche jedoch offenbar ein Haarwuchsmittel zusammenbrauen lässt, und der sympathische Verführer Gert Voss, der auch den sprichwörtlichen Pudel mit Hingabe verkörpert, auf dem Höhepunkt ihres Könnens und zeigen den Beginn einer wunderbaren Männer-Freundschaft. Deren Weiterführung wird man im zweiten Teil leider nicht verfolgen können: Für "Faust II", der in wenigen Minuten beginnen wird, bedient sich Hartmann nicht nur eines anderen Konzepts, sondern auch eines anderen Ensembles.
Jubel auch für Faust II
Eine Viertelstunde vor Mitternacht ging am Freitagabend "Faust II", der zweite Teil der Eröffnungspremiere der Burgtheater-Direktion von Matthias Hartmann, im Wiener Burgtheater zu Ende. Erneut gab es lautstarken Jubel für das Ensemble, zu dem schließlich auch die Schauspieler des ersten Teils sowie das Leading Team mit Regisseur Hartmann an der Spitze stießen. Seine Inszenierungsarbeit schien das am Ende des nahezu siebenstündigen Theaterabends deutlich ermattete und Mephistos "Es ist vollbracht" sehnlich erwartende Premierenpublikum nicht sonderlich zu polarisieren. Hartmanns Verbeugungen waren jedenfalls weder von markanten Beifalls- noch Missfallskundgebungen begleitet.
Zweiter Teil deutlich anders
Wie angekündigt unterschied sich "Faust II" deutlich vom ersten Teil. Die in den Stunden davor prägenden Kuben waren aufgebrochen, die versetzten Würfelflächen dienten als Projektionsflächen für allerhand live aufgenommenes Material (Live-Kamera: Stephan Komitsch, Videomischung: Hamid Reza Tavakoli), mit dem ausgewählte Teile der Szenenfolge illustriert wurden. Kaiserliche Paläste, Ritterburgen, Laboratorien, Schlachtenszenen, Gebirgszüge oder die von Faust geleiteten Landgewinnungsmaßnahmen an der Meeresküste nahmen so Gestalt an.