Seit 50 Jahren steht Plácido Domingo an der Spitze der Opernwelt. Erstaunlicherweise hat sich sein betörendes Timbre, obwohl mit anstrengenden Partien wie Verdis Otello oder Wagners Parsifal schonungslos eingesetzt, nicht abgenützt. Seine enorme Stimmbandbreite hat ihm den Titel „König der Oper“ eingebracht, sein Repertoire umfasst 134 Rollen.
Fluch Derzeit gastiert der Jahrhundertsänger, der von englischen Kritikern zum „größten Tenor aller Zeiten“ ausgerufen worden ist, bei den Salzburger Festspielen in ungewöhnlichen Gefilden: in einer Barockoper. In Händels 1724 in London uraufgeführter Opera seria Tamerlano singt er den vom unbeherrschten mongolischen Eroberer besiegten türkischen Sultan Bajazet, der seine schmachvolle Lage mit Stolz und Verachtung erträgt. Bajazets Selbstmord, bei dem er den Tyrannen verflucht, zählt zu den erschütterndsten Szenen der Opernliteratur.
Mörderisch Den Bajazet, die erste Tenor-Hauptrolle in der Geschichte der Oper, hat Händel – und das war ganz ungewöhnlich in der Glanzzeit der Kastraten – für den italienischen Tenor Francesco Borosini geschrieben. Domingo singt die von mörderisch schwierigen Koloraturkaskaden strotzende Partie technisch souverän, mit virilem Magnetismus im Klang seiner Stimme und furioser darstellerischen Präsenz.
Counter Natürlich ist der Spanier kein Barockspezialist, und er wirkt innerhalb des Alte-Musik-Ensembles Les Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski, flankiert von den Countertenören Bejun Mehta (Tamerlano) und Franco Fagioli (Andronico), wie von einem anderen Stern. Aber seine expressiven veristischen Töne sind wie Stromstöße in einer glatten, polierten Oberfläche und halten die ein wenig manirierte Aufführung davon ab, in reiner Schönheit zu erstarren.
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