Oper

"Wir sind nicht in Nordkorea"

15.06.2010

Interview: Franz Welser-Möst über seinen "Tannhäuser".

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© Kernmayer
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Wagners Tannhäuser ist die letzte Premiere der Ära Holender. Regieguru Claus Guth siedelt die Wagner-Oper teils im Stundenhotel Orient an. Welser-Möst dirigiert – und schildert seine Pläne als neuer „GMD“.

ÖSTERREICH: Wie verstehen Sie sich bei den „Tannhäuser“-Proben mit Claus Guth?
Franz Welser-Möst: Er ist ein hoch intelligenter, äußerst gebildeter Mensch, der sein Handwerk versteht. Am Anfang waren wir uns zwar nicht ganz einig, und ich habe gewisse Zweifel bezüglich der technischen Machbarkeit ausgedrückt. Aber wir konnten uns in einem konstruktiven, respektvollen Dialog sehr bald verständigen … Ich will da sicher niemandem ins Handwerk pfuschen, aber Produktionen wie der Tannhäuser müssen speziell an der Wiener Staatsoper lange halten. Inszenierungen für das Theater an der Wien oder die Salzburger Festspiele können ruhig sehr „heutig“ sein. Ein Regisseur kann in einer Oper auf den Gaza-Konflikt anspielen oder Vulkanasche vom Schnürboden rieseln lassen. Und nach ein paar Jahren darf das Ganze auch schon wieder „alt“ aussehen. In einem Repertoiretheater wie der Staatsoper muss aber so etwas 30 Jahre halten. Den Tannhäuser können wir nicht nach zwei Jahren wieder wegschmeißen. Das wäre glatter Selbstmord!

ÖSTERREICH: Fürchtet man sich vorm konservativen Wagner-Publikum?
Welser-Möst:
Angst ist ein schlechter Ratgeber.

ÖSTERREICH: Sie sagen, man müsse den „Tannhäuser“ 30 Jahre spielen können. Es gibt aber die Kritik, dass einige Inszenierungen viel zu alt seien. Ist 30 Jahre Ihr Limit?
Welser-Möst:
Wir leben in einer Zeit, in der es viele Geschmäcker und Ansichten gibt. Kein Haus der Welt wird alle glücklich machen – das schaffen sie nur in Nordkorea! Dominique Meyer legt ohnehin ein großes Augenmerk auf die szenische Erneuerung des Hauses. Auf der anderen Seite sind wir zum Repertoiresystem verpflichtet, und wir können es uns schlichtweg nicht leisten, alle fünf Jahre die Dutzenden an essenziellen Opern wegzuschmeißen, weil die vielleicht zu riskanten Inszenierungen dem Publikum nicht gefallen. Was jetzt nicht heißen soll, dass man dem Publikum stets nach dem Mund reden soll.

ÖSTERREICH: Was werden Sie bei Holenders Abschiedsgala am 26. Juni dirigieren?
Welser-Möst:
(Lacht.) Einen Haufen ... Aber dass ich da jetzt so viel übernehme, hat natürlich auch mit der sehr bedauerlichen Erkrankung von Ozawa zu tun.

ÖSTERREICH: Eines Ihrer ersten Dirigate als neuer GMD wird die „Bohème“ mit Villazón sein. Ist er wieder fit?
Welser-Möst:
Ich bin kein Kaffeesud-Leser. Die Hürde wird genommen, wenn wir davorstehen ... Villazón ist ein außergewöhnliches Talent, und jeder hofft, dass alles wieder so wird, wie es begonnen hat. Wissen Sie, man engagiert Opernsänger drei, vier, fünf Jahre im Voraus. Aber die menschliche Stimme ist ein fragiles, verletzliches Instrument. Und es gibt keine Garantie, dass ein Sänger in fünf Jahren derselbe ist, den Sie einmal eingekauft haben.

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