"Wendehals"
Franzobel über seine schräge Moser-Farce
23.02.2010
ÖSTERREICH-Interview: Franzobels Theater-Aufreger "Moser".
In Moser oder Die Passion des Wochenend-Wohnzimmergottes thematisiert der oberösterreichische Dramatiker Franzobel Hans Mosers Rolle im 3. Reich. Das Interview.
ÖSTERREICH: Ihr Moser-Stück wird schon im Vorfeld
heftig diskutiert ...
Franzobel: Man befürchtet, dass Moser
vom Sockel gestoßen werden könnte. Mittlerweile sind zu den diversen
Zeitungsberichten Tausende Postings eingetroffen, die Moser als
österreichische Ikone darstellen, an der nicht gekratzt werden darf.
ÖSTERREICH: Worum geht es in dem Stück?
Franzobel:
Moser kommt in den Himmel, wo Adolf Hitler der liebe Gott ist. Vor
diesem Führer-Gott muss er sich rechtfertigen, und er erzählt sein ganzes
Leben. Dabei kommt so ein bisschen sein Wendehals-Charakter heraus. Etwas
für Österreicher nicht Untypisches.
ÖSTERREICH: Wie war Mosers Rolle im 3. Reich?
Franzobel:
Er war der zweitmeistbeschäftigte Schauspieler nach Hans Albers. Und er
hat auch am zweitmeisten verdient. Er hat zwar in keinem Propagandafilm
mitgewirkt, aber er hat diesen sehr schleimigen Brief an Hitler geschrieben
– er musste versuchen, mit seiner jüdischen Frau über die Runden zu kommen.
ÖSTERREICH: Trotzdem musste sie fliehen ...
Franzobel:
Zunächst hat sie in Wien gelebt und wurde von der Gestapo verschont. Dann
hat Moser sie nach Budapest verfrachtet und besuchte sie Woche für Woche mit
dem Schiff. Er hat ihr Pelzmäntel und Perlenketten gebracht. Vor den
Judendeportationen hat er sie wieder nach Wien geholt ... Also: Moser ist
ein Beispiel dafür, wie man sich auf gut österreichisch durch so ein System
durchlaviert. Man macht Karriere, ist eher unpolitisch, mischt sich nicht zu
viel ein, sympathisiert zwar mit dem Widerstand, ist aber dann doch zu feig
zum Handeln.
ÖSTERREICH: Ihr nächstes Stück porträtiert eine andere Ikone
– Hans Orsolics – und kommt im Herbst ins Akademietheater. Was hat Sie am "Hansi"
interessiert?
Franzobel: Sein unglaubliches Achterbahn-Leben.
Er war ganz unten, hat sich raufgeboxt, durch windige Manager alles verloren
und landete fast in der Gosse. Er hat eine Wahnsinnskraft in den Händen, und
seine krankhafte Eifersucht – das sogenannte „Othello-Syndrom“ – macht seine
Seele schwach. Das ist ein großer Theaterstoff.
Moser, Premiere Do., 25.2., Theater in der Josefstadt.