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Intendantin Kathrin Zechner im Interview mit ÖSTERREICH-Musical-Experte Gunther Baumann
ÖSTERREICH: Was dürfen sich die Besucher von „Frühlings
Erwachen“ erwarten?
KATHRIN ZECHNER: Das Publikum darf
eine sehr rockige, moderne Show erwarten, die Frank Wedekinds Klassiker
„Frühlings Erwachen“ zum Thema hat, mit all der Rebellion der Jugend gegen
sture, restriktive und reaktionäre Elternhäuser und Schulsysteme. Die Story
ist in körperbetontes Theater und Musik eingebettet, welche die Rebellion,
aber auch die Verzweiflung der jungen Leute, die erste Erotik und die
Auseinandersetzung mit den Grenzen, die ihnen die Gesellschaft auferlegt,
greifbar und fühlbar macht.
ÖSTERREICH: Dies ist eine heiße Zeit für die VBW, mit
Premieren von „Rudolf“ und „Frühlings Erwachen“ sowie der Übersiedlung von
„The Producers“ im Mai nach Berlin.
Zechner: All
das ist ein sehr ambitioniertes Projekt, das künstlerisch wie
administratorisch sehr viel verlangt. Das kostet, bringt aber auch viel
Energie, weil es drei Produktionen sind, mit denen wir uns stark
identifizieren und die die ganze Bandbreite unserer Arbeit zeigen. So ist
die Anstrengung auch ein Genuss.
ÖSTERREICH: Wie läuft das Mayerling-Musical „Rudolf“ im
Raimundtheater?
Zechner: Wir sind mit einem dramatischen
Stoff in der klassischen Qualität der VBW sehr gut gelandet. Die Leute
fühlen sich wohl mit dieser Produktion. Wir haben bereits 50.000 Karten
verkauft, es gibt aber immer mehr Kurzbuchungen, weil sich die Leute häufig
kurzfristig entscheiden, ob ihnen Geld fürs Theater übrigbleibt. Auch die
Abendkasse ist wichtig.
ÖSTERREICH: Heißt das, dass Sie die Folgen der Finanzkrise
spüren?
Zechner: Wir produzieren nicht für ein elitäres
Publikum, sondern einfach für alle Leute, die sich unterhalten wollen - und
die trifft die wirtschaftliche Situation hart. Ob das Geld dort für die
Schule, einen Urlaub oder einen Theaterbesuch ausgegeben wird – das ist ein
harter Kampf um jeden Euro. Man darf unsere Häuser nicht mit
Repertoiretheatern wie etwa der Volksoper vergleichen: Die spielen ein Stück
vielleicht 20 oder 25 Mal pro Saison und können bei einem Erfolg rasch um
ein paar Abende aufstocken. Wir hingegen müssen Abend für Abend zwei Häuser
mit jeweils mehr als 1100 Sitzen füllen – im freien Verkauf, ohne Abonnement!
ÖSTERREICH: Sind Musical-Megahits wie „Cats“ oder
„Elisabeth“, die in Wien viele Jahre lang liefen, heute überhaupt noch
möglich?
Zechner: Theoretisch ja, wenn Glücksgriffe wie
diese Stücke gelingen. Der Dauererfolg ist aber schwieriger zu erreichen,
weil sich das Umfeld gravierend verändert hat. In der „Cats“-Ära gab’s in
Wien höchstens noch in der Volksoper manchmal Musicals. Mittlerweile werden
u.a. im Museumsquartier und in der Stadthalle Musicals gespielt, in der
Volksoper, und manchmal auch im Volkstheater oder in der Josefstadt. Wir
haben als VBW gezeigt, dass das Musical nicht nur nicht tot, sondern sehr
lebendig ist – und das hat auf andere Veranstalter übergegriffen. Doch für
uns ist es schwerer geworden, weil die Auswahl an Spielstätten wuchs.
ÖSTERREICH: Wie schaut der ideale Publikums-Mix an Ihren
Häusern aus?
Zechner: Bei Long Run Produktionen wie im
Raimund Theater ist für die Gesamtlaufzeit der klassische Mix der
Besucher-Herkunft cirka ein Drittel Wien, ein Drittel Bundesländer und ein
Drittel Tourismus. Diesen Mix müssen wir schaffen, wenn wir wollen, dass
eine Produktion ein ganzes Jahr läuft. Das Ronacher ist Wien-spezifischer,
weil es mit seinen modernen, auch kantigen Produktionen einen urbanen
Zuschnitt hat. Wenn ein Stück nur das Wiener Publikum anspricht, ist eine
Laufzeit von zwei bis vier Monaten ein Erfolg. Denn man darf ja nicht
vergessen, dass Wien viel kleiner ist als die Musical-Metropolen New York
und London. Bei „The Producers“ etwa, das acht Monate mit über 114.000
Zuschauern lief, hatten wir überdurchschnittlich viele Zuschauer aus Wien,
aber wir erreichten die Bundesländer nicht in dem Ausmaß, das wir für eine
längere Laufzeit gebraucht hätten.
ÖSTERREICH: Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit
internationalen Partnern? „Frühlings Erwachen“ etwa ist ja eine Koproduktion
mit Düsseldorf.
Zechner: Das ist sehr wichtig, weil man
die Aufwendungen für die Ausstattung und andere Kosten teilen kann. Die
Produktionen werden leistbarer für alle Beteiligten. Wir spielen „Frühlings
Erwachen“ jetzt bis Ende Mai – sollte die Show ein großer Hit werden, werden
wir sie wieder zurückholen.
ÖSTERREICH: Wie steht das Projekt „Rebecca“ am Broadway?
Zechner:
Wir haben Anfang Mai in London die erste Lesung mit einer englischen Fassung
von Christopher Hampton. Da schauen wir uns an, wie die Adaption
funktioniert. Später im Jahr soll es eine zweite Lesung geben, danach wird
es die Kooperation mit einem Try-Out-Theater geben, wie es ausschaut, in
Toronto. Falls wir im Mai/Juni 2010 in Toronto spielen, könnte es im
Idealfall im Herbst 2010 die Broadway-Premiere geben. Vorausgesetzt, die
Investoren bleiben liquide. Darüber kann man heute ja ganz offen sprechen.
ÖSTERREICH: Würde ein „Rebecca“-Erfolg am Broadway den
Vereinigten Bühnen viel Geld bringen?
Zechner: Wir
zählen nicht zu den Investoren, also würden wir zunächst, bis die Investoren
ihren Einsatz zurückerhalten haben, eher Ruhm und Anerkennung gewinnen – und
eine vernünftige Anstandssumme. Danach könnte es für uns auch ein wirklich
gutes Einkommen geben.
ÖSTERREICH: Ihr Vertrag wurde bis 2013 verlängert. Was sind
Ihre Pläne?
Zechner: Ich möchte unter den schwierigen
ökonomischen Bedingungen, die wir gerade erleben, die Qualität und die
Vielfalt unseres Repertoires beibehalten. Mit einer guten Mischung aus
Importen und selbst entwickelten Stücken.
Fotos: (c) Lisi Niesner, VBW