Salzburger Festspiele

Fulminanter "Abschied" von Trakl

16.08.2014

Starke Inszenierung des Ein-Mann-Dramas von Walter Kappacher.

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© APA/EPA/BARBARA GINDL
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Walter Kappacher hatte den Werkauftrag der Salzburger Festspiele bereits zurückgelegt, ein Theaterstück rund um den Ersten Weltkrieg zu schreiben. Aber Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf hat den Autor gedrängt und damit gut getan: Kappacher hat ein fulminantes Ein-Mann-Drama über Georg Trakl geliefert: Gestern, Freitagabend, war die Uraufführung von "Der Abschied" in der ARGEkultur.

Plausible Tragödie
Schwer zu sagen, ob man in "Der Abschied" dem Salzburger Dichter Georg Trakl (1887-1914) wirklich nahe gekommen ist. Vielleicht hat der 75-jährige Büchnerpreisträger Walter Kappacher auch bloß seiner Fantasie freien Lauf gelassen und sich die zarte Seele des kokainsüchtigen, in die eigene Schwester verliebten, lebensuntüchtigen und schließlich am Grauen des Ersten Weltkrieges zerbrochenen Lyrikers nur vorgestellt. Tatsächlich ist die biografische Informationslage über die letzten Tage von Georg Trakl im Feldlazarett im ostgalizischen Grodek und dann im Militärhospital bei Krakau dünn. Kein Mensch weiß genau, was zwischen Schlachtgetümmel, Selbstmordversuch mit Pistole und Überdosis genau passiert ist. Aber die Tragödie, die genau hundert Jahre später auf die Bühne der Festspiele gefunden hat, ist plausibel und wirkungsvoll.

"Der Abschied" ist persönliche, kraftvoll-wütende und zum Äußersten entschlossene Chronologie vom Verschwinden aus dieser Welt in klarer, konkreter Sprache. Erinnerungen an Freunde und Mentoren wie Ludwig Ficker, an Berge von Leichen, an ergebnislose Begegnungen mit Leuten wie Karl Kraus und natürlich an Schmerz und Glück mit Schwester Gretl stürzen ineinander und verknäueln sich unentwirrbar. Und Paul Herwig auf der Bühne und das Team um Regisseur Nicolas Charaux gewährleisten die Plastizität dieses intim schreienden Abschieds.

Grandioses Bühnenbild
Paul Herwig stemmt den 90-Minuten-Monolog ohne Hänger. Besonders dort, wo er die Verzweiflung dosiert und nicht herausplärrt, wird der Überdruck in Trakls Seele schmerzhaft wahrnehmbar. Nicolas Charaux hat den mehr als zweistündigen Originaltext Kappachers klug gekürzt. Zumindest scheint nichts zu fehlen auf Trakls Weg aus dem Irdischen, auf dem er ständig begleitet wird von einer genial-störenden Soundcollage von David Lipp. Permanent rollen Murmeln über Holz und verstummen urplötzlich - beispielhafte Klang-Energie, die ohne Lautstärke funktioniert.

Grandios ist zudem die Bühnenskulptur von Pia Greven. Sie hat ein schwarz gelacktes Schiff mit dem Grundriss einer Kathedrale auf die sonst kahle und ebenfalls schwarze Bühne gestellt. Dieses viele Meter breite, lange und hohe Monstrum aus knarzenden Balken, Rigips und Ytong-Steinen steht auf nur einem Fuß, schwankt und schleudert hin und her, bricht teilweise auseinander und dreht sich unstabil im Kreis. Kein Bild passte besser zur emotionalen Lage eines Menschen, der sich torkelnd aus dem Leben dröhnt.

"Der Abschied" von Walter Kappacher in der Bearbeitung von Nicolas Charaux, Pia Greven, David Lipp und Paul Herwig ist zugleich endgültiger Abschied vom Young Directors Project (YDP), bei dem die Festspiele 13 Jahre lang junge, experimentelle Theaterformate präsentiert haben. Diese allerletzte YDP-Produktion ist formal alles andere als neu oder richtungsweisend. Sie ist klares, fast klassisches Sprechtheater über einen seit 100 Jahren toten Dichter. Aber sie funktioniert und beeindruckt.

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