Die große, blonde Lettin Elina Garanca macht jetzt in ihrer Heimatstadt Riga als dunkelhaarige, verführerische Carmen Furore. Hier die Kritik.
Die Erwartungen waren enorm, das Ergebnis ist sensationell: Am vergangenen Freitag wagte sich Elina Garanca, der blonde Shootingstar der internationalen Opernszene aus Riga, in ihrer Heimatstadt erstmals an die Traumrolle ihres Faches – an die Carmen!
Oper
Und man kann konstatieren: Die Welt hat wider eine ideale
Titelheldin der Bizet-Oper! London, New York und Wien können sich freuen,
dass die Garanca nahtlos an die großen Carmen-Interpretinnen von Resnik bis
Baltsa anschließt.
Castros Kuba
Dabei glaubt man, die Oper neu und wie zum ersten
Mal zu erleben: Die schwarzhaarige Carmen von Garanca agiert nicht in
Sevilla, sondern in Havanna, und die kubanische Atmosphäre, die der Hausherr
und Regisseur Andrejs Zagars auf die Bühne seines Hauses gezaubert hat
(Ausstattung: Monika Pormale), passt ideal zum Stück: Bunt, heiß und
erotisch geht es hier in Castros Kuba zu.
Und was die Sängerin aus ihrer Rolle macht! Verspielt, frech und raffiniert beginnt sie ihr verführerisches Treiben und bleibt dabei trotzdem immer „cool“. Erwartungsgemäß hat sie keinerlei stimmliche Schwierigkeiten: Sie trällert wie eine Chansonette im ersten Akt, hat in der Schenke die nötige Höhe und im Schmugglerakt die erforderliche Tiefe, um im großen Finale alle Register zu ziehen.
Kindfrau
Diese Carmen ist ein Kind unserer Zeit. Sie spielt wie
einst Lulu mit den Männern. An José (gut zu Beginn, zuletzt überfordert:
Valters Borins) reizt sie, dass er zur Militärobrigkeit gehört. Erst mit
Escamillo (optisch wie vokal großartig: Egils Silins), der in dieser
Inszenierung ein Box-Champion ist, erlebt sie die Liebe als elementare
Herausforderung.
Vom Pult her unterstützt perfekt diese Entwicklung von der Kindfrau zur Tragödin der Dirigent Karel Mark Chichon – im Privatleben der Ehemann von Elina Garanca. Zeitgemäß. Die Opernwelt hat nicht nur eine neue, ideale, sondern auch eine zeitgemäße Carmen!
Anna Netrebko, Elina Garanca (r.)
© Deutsche Grammophon
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Anna Netrebko, Elina Garanca |
Ihr grandioses Carmen-Debüt in Riga betrachtet Elina Garanca als „Generalprobe“ für all ihre künftigen Carmen-Produktionen. Das sagt sie im Interview mit der aktuellen Ausgabe von MADONNA.
Oper
Höhepunkt wird klarerweise 2010 ihre Carmen an der Wiener
Staatsoper sein, für die Direktor Ioan Holender schon eine Traumbesetzung
verpflichtet hat: Neben der Garanca in der Titelrolle wird Anna Netrebko die
Micaela und Rolando Villazón den Don José singen (am Pult: Mariss Jansons).
Kindfrau
Der größten Gefahr dieser tausendfach verkörperten
Rolle begegnete die Garanca bei ihrem Debüt in Riga mit schauspielerischer
Potenz: Man dürfe die Carmen nicht als „zickige Männerkillerin“ anlegen,
sondern „als Kindfrau und Vamp, als Zerrissene und Entschlossene“.