Weit über dem bisher erlebten Margarethen-Durchschnitt - so erfolgreich verlief die Premiere von Verdis "La Traviata".
Trotz der via Lautsprecher detaillierten Beschreibung der Fluchtwege war eine kurzfristige Evakuierung des Römersteinbruchs wegen potenzieller Massenflucht nicht notwendig. Mit der Premiere von Verdis "La Traviata" gestern, Mittwoch, Abend setzte Intendant Wolfgang Werner den entscheidenden Schritt in Richtung Zukunft: Oper auf internationalem Format - sauber musiziert, gesungen und inszeniert.
Untypisch
Die "Traviata" gehört sicherlich nicht zu den typischen
Open-Air-Werken des Opern-Repertoires. Zu intim, zu zart und zu wenig
massentauglich sind die Szenen des Verismo-Meisterstückes. Keine Chance für
Elefanten, Feuerschlucker und Statisten-Armeen. Dass Freiluft-Oper durchaus
ohne diese Szenarien auskommen kann, bewies Regisseur Robert Herzl im
Römersteinbruch von St. Margarethen. Aller Bedenken im Vorfeld zum Trotz
gelang ihm, das Leben und Sterben der Violetta gekonnt und
allgemeinverständlich in Szene zu setzen.
Oper statt Steinbruch
Herzls Trick: Statt den Steinbrauch in all
seinen Facetten zu bespielen, wurde kurzerhand die Pariser Oper nachgebaut.
Theater im Theater sozusagen. Vergleichsweise klein, überschaubar und
dennoch verständlich für jedermann. Genau aus diesem Grund hätten die
Applaus-Zuspielungen über Lautsprecher wirklich nicht sein müssen. So dumm
ist ein Sommerpublikum auch wieder nicht. Ein großes Kompliment sei an
dieser Stelle Manfred Waba für sein Bühnenbild ausgesprochen. Die
monumentale Kulisse, ein verspielter Opernraum, verfehlt seine Wirkung
genauso wenig wie die aufwendigen Fin de Siecle-Kostüme von Waltraut
Engelberg.
Überdurchschnittlich
Weit über dem bisher erlebten
Margarethen-Durchschnitt präsentierten sich auch Hauptdarsteller und
Ensemble. Kristiane Kaiser schafft die Partie der Violetta bei ihrem
Rollendebüt ohne wirkliche Anstrengung und überzeugt im Piano wie in der
Koloratur gleichermaßen, auch wenn man sich mitunter ein wenig mehr
Kurtisane wünschen würde. Ein stimmlich gleichwertiger Partner ist ihr
Jean-Francois Borras als Alfredo: angenehm in der Höhe, wuchtig in der
Dramatik und mitfühlend in der Emotion. Allein Georg Tichy bleibt als Vater
Germont weit hinter seinen Kollegen zurück. Dünn und unelegant forciert er
aufdringlich und zerstört damit die feine, ganz auf die Personen abgestimmte
Interaktion des Regisseurs. Beachtlich auch die Leistungen der kleineren
Rollen, des Chores und des Corps des Balletts. Gefällig liefern sie allesamt
eine gute Leistung ab und tragen wesentlich zum Gesamterfolg des Abends bei.
Festspiele St. Margarethen: „La Traviata“. 9. 7. bis 24. 8. Tickets: 01/96096-888