Theaterkritik
Voss: Die Rückkehr des Star-Entertainers
10.05.2010
Umjubelt: Gert Voss (l.) und Tobias Moretti in 'Faust' am Burgtheater.
Gert Voss ist wieder da! Der König des Burgtheaters spielte am Samstag, 8.5., nach unfallbedingter siebenmonatiger Pause wieder den Mephisto im ersten Teil von Goethes megalomanischem Weltgedicht Faust. Das Publikum im ausverkauften Haus jubelte und klatschte und bereitete dem Bühnengiganten Ovationen.
Virtuos und komisch
Mit weiß geschminktem Gesicht, großem, rotem
Mund, roten Ohren und rotem Schal, auf dem Kopf ein Strohhut mit
Fasanenfeder, spielt Voss
greinend, singend, lachend den Höllenschalk als eloquenten, intelligenten
Verführer, hochgradig virtuos und unendlich komisch.
Entertainer
Als schwarzer Pudel zieht er alle Register des
schmierigen Entertainers, er knurrt, hechelt, winselt und wedelt mit allen
Gliedmaßen, hüpft possierlich umher und wird mit Szenenapplaus belohnt.
Hinreißend sind seine Szenen mit Maria Happel als notgeiler Witwe Marthe
Schwerdtlein: Wie sich die beiden Komödianten gegenseitig ihrer Lust
versichern und ihre abgetakelten Verführungskünste zur Schau stellen,
evoziert Lachstürme beim Publikum.
Moretti
Tobias Moretti, bei der Premiere
im September ein ziemlich blasser Faust, konnte seine Performance deutlich
verbessern. Er spielt den rastlosen Wissenschaftler zwar noch immer ein
wenig ratlos und zögerlich, aber vor allem in den Auseinandersetzungen mit
Voss dem überlebensgroßen Partner Paroli bietend.
Unglaubwürdiges Gretchen
Katharina Lorenz ist nicht einmal
ansatzweise ein Gretchen. Das schüchterne, gefühlsselige, fromme Mädchen ist
bei ihr eine burschikose, selbstbewusste junge Frau, der man die ungewollte
Schwangerschaft und die Hilferufe zur Mater dolorosa überhaupt nicht glaubt.
An dieser Figur stimmt nichts.
Inszenierung
Die Inszenierung von Matthias
Hartmann in einem schwarzen, leeren Raum mit weißen Würfeln in
verschiedenen Größen bleibt dürftig und einfallslos. Dem Regisseur ist zum
Gipfelwerk der deutschen dramatischen Literatur wenig eingefallen, besonders
fantasielos und öd Goethes orgiastische Walpurgisnacht.
Faust I. Wien, Burgtheater. Nächste Termine: 22. und 23. 5., 21. und 22. 6.