Zeitgeist gegen die Ewigkeit

Glucks "Orfeo" überzeugte in Salzburg

24.01.2014

Mozartwoche bringt "Happy-End-Tragödie" in schlichtweg optimaler Auflösung.

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© APA/APA/BARBARA GINDL
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Was die Salzburger Stiftung Mozarteum am 23. Jänner zur Eröffnung ihrer zehntägigen Mozartwoche an Oper ins Haus für Mozart gebracht hat, ist kurz und bündig als Volltreffer zu bezeichnen. Alle Beteiligten wurden vom Premierenpublikum lange und zurecht bejubelt, für Christoph Willibald Glucks Einakter "Orfeo ed Euridice", in dem der Zeitgeist der Ewigkeit ein Schnippchen schlägt.

Feuerwerk an Musizier- und Spiellust  

Das Feuerwerk an dramatisch-liebenswerter Musizier- und Spiellust dauerte schlanke 80 Minuten. Dann hat Amor ein Machtwort gesprochen und - der mythologischen Vorlage zum Trotz - der Tragödie ein Happy End verpasst. Und dieses zeitlose Bedürfnis nach Behaglichkeit fand auf der Bühne im Haus für Mozart ohne historisierenden Kitsch und vordergründiger Tränendrüse statt. Selten ist eine Opernproduktion ästhetisch und musikalisch so rund gelaufen wie dieser Salzburger "Orfeo", da müsste man schon lange graben im Archiv der Kritik.

Komplettes Ensemble überzeugt

Die vollen Punkte gehen definitiv an alle. Zentralfigur Marc Minkowski hat als Dirigent perfekte Tempi und ausgewogene Dynamik gewählt und die berüchtigte Gluck-Fadesse keine Sekunde lang aufkommen lassen. Alles an dieser Musik sauste ohne zu hetzen, strahlte ohne zu blenden und blühte ohne zu protzen. Der Salzburger Bachchor empfahl sich einmal mehr für große Operneinsätze. Blitzsauber, warm im Klang und schauspielerisch engagiert war, was der von Alois Glassner vorbereitete Chor da auf der Bühne sehen und hören ließ. Im Graben: "Les Musiciens du Louvre" aus Grenoble, die durch neun Musiker des Mozarteumorchesters verstärkt wurden und mit gewohnt spritzigem, federnd leichtem Originalklang den Teppich legten für ein Fest von drei außergewöhnlich guten Stimmen.

Countertenor Bejun Mehta zentrale Rolle  
Der Countertenor Bejun Mehta stand im Zentrum dieser Oper - er ist wohl gut die Hälfte der gesamten Spieldauer am Solieren. Seit Mozarts "Mitridate" 2006 ist dieser Musiker in Salzburg und wohl auch im Rest der Opernwelt beliebt. Mehtas wunderbar feiner, in den Höhen ein wenig metallischer, immer aber klug dosierter und musikalisch einfühlsamer Klang begeisterte auch im "Orfeo" - eine Idealbesetzung für die Rolle eines Sängers, der die Wächter der Unterwelt zu erweichen hat. Dieser Superlativ gilt auch für Ana Quintans als "Amor". Die portugiesische Sopranistin verfügt über Witz, Beweglichkeit, Anmut und vor allem über eine wunderbar schlanke Stimme, die man sich sofort für Mozart wünscht - ein erstklassiges Salzburg-Debüt. Und Camilla Tilling als "Euridice" war ebenfalls ganz vorne dabei. Ihre lyrisch-ausdrucksstarke Stimme klang technisch makellos und weich, ohne dabei an Konturen einzubüßen. Alles in allem: Ein selten gutes Mozartensemble, von dem viele größere Häuser nur träumen können.

Ivan Alexandre leistet Maßarbeit
Umrahmt, getragen und veredelt wurde diese musikalische Opernfreude durch die ästhetisch ebenso selbstbewusste wie unaufdringlich-dienende Regie von Ivan Alexandre auf der Bühne von Pierre-Andre Weitz. Glänzendes Schwarz, rot natürlich und Gold sind die Farben. Symmetrisch in die Bühnentiefe gestaffelt sind die Tore zur Unterwelt, dahinter das Weltall und das Schattenreich. Im Vordergrund, an der Grenze zwischen Diesseits und Jenseits, das rührende Spiel, in dem der Tänzer Uli Kirsch als stummer "Tod" die Fäden zieht. Nahe und eindringlich und doch nie zu direkt an der Rampe.

Der Tod ist allgegenwärtig
Der Tod stiehlt Amor einen Apfel. Der Tod wärmt Eurydike mit einem Mantel oder umgarnt und befummelt sie, bevor Orpheus die Nerven verliert. Am Ende stemmt er die Weltkugel, aber an Glucks Triumph der Liebe beißt er sich die Zähne aus. Details wie diese stellen Behauptungen auf und stiften Sinn und Klarheit. Und dazwischen funkeln Abgrund, Witz und Heiterkeit. Im Salzburger "Orfeo" ziehen alle an einem Strang. Die Musik wird von der Regie umarmt, und beide tragen die Sänger. So einfach und genial. Mehr ist in einer Gluck-Oper nicht drin.

Info

"Orfeo ed Euridice" - Oper in einem Akt von Christoph Willibald Gluck. Premiere dieser Koproduktion der Salzburger Stiftung Mozarteum mit MC2 Grenoble und dem Musikfest Bremen am 23. Jänner 2014 zur Eröffnung der Internationalen Mozartwoche im Haus für Mozart. Marc Minkowski dirigierte Les Musiciens du Louvre, Grenoble, neun Musiker des Mozarteumorchesters und den Salzburger Bachchor. Choreinstudierung: Alois Glassner. Regie: Ivan Alexandre, Bühne und Kostüme: Pierre-Andre Weitz. Licht: Bertrand Killy. Die Solisten: Bejun Mehta als Orfeo, Camilla Tilling als Euridice und Ana Quintans als Amor. Uli Kirsch als stummer Tod. Die Vorstellung wird am 31. Jänner wiederholt. www.mozarteum.at


 
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