Bereits 2. Mal
Goldene Palme: Triumph für Haneke
27.05.2012
ÖSTERREICH-Filmchef Gunther Baumann über das Filmfest Cannes.
Nun ist Michael Haneke endgültig im Kino-Olymp angekommen. Der Regisseur aus Wien gewann am Sonntag Abend zum zweiten Mal innerhalb von nur drei Jahren den wichtigsten Filmpreis neben den Oscars: Die Goldene Palme von Cannes.
Sein Film „Amour“ galt schon seit der Weltpremiere vor einer Woche als Top-Favorit des Wettbewerbs. Als Haneke jetzt im Regen über den Roten Teppich zur Abschlussgala des Festivals empor schritt, war für Insider klar, dass „Amour“ einen Preis gewinnen würde. Dass es dann die Goldene Palme wurde, löste bei den mehr als 2.000 Gästen im Palais Jubel und minutenlange Standing Ovations aus.
„Ich bin glücklich, hier nicht allein zu stehen, sondern mit meinen genialen Schauspielern, denen ich meinen profunden Dank ausdrücke“, sagte Haneke, als er den Preis aus den Händen der Laudatoren Audrey Tautou und Adrien Brody in Empfang nahm. Der Wiener kam gemeinsam mit Jean-Louis Trintignant und Emmanuelle Riva auf die Bühne. Die beiden Stars aus Frankreich gaben den Dank zurück. „Ich bin unglaublich glücklich, dass ich mit Haneke arbeiten durfte – dieser Film war eine Herzensangelegenheit“, sagte Emmanuelle Riva. Jean-Louis Trintignant setzt noch eins drauf: „Michael Haneke ist der größte lebende Filmregisseur auf der Welt.“
„Amour“ - Hanekes zärtlichster Film
„Amour“ (Österreich-Kinostart im Herbst) ist der zärtlichste Film, den Haneke je gedreht hat – und zugleich einer seiner härtesten. Im Zentrum steht ein altes Ehepaar (Trintignant und Riva), das nach Jahrzehnten des Zusammenseins offenkundig noch immer innig glücklich ist. Doch dann schlägt das Schicksal zu. Die Frau erleidet einen Schlaganfall. Der Film zeigt die Stufen des gesundheitlichen Verfalls der alten Dame – und das aufopferungsvolle, aber zunehmend verzweifelte Bemühen ihres Mannes, ihr zu helfen und sie zu pflegen. Der Prolog zum Film macht schon in den ersten Minuten deutlich, dass diese Geschichte kein Happy-End hat.
„Wenn man ein bestimmtes Alter erreicht, wird man zwangsläufig irgendwann mit dem Leid von Menschen konfrontiert, die man liebt“, sagte Michael Haneke. „Mit diesem Leid umzugehen, ist sehr schwierig. Das brachte mich auf die Idee zu meinem Film.“
„Amour“ könnte eine große Karriere bevorstehen. Der Film überzeugte auch die Händler am Filmmarkt von Cannes. Die Produktion, an der die Wiener Wega-Film beteiligt ist, wurde schon vor der Verleihung der Goldenen Palme weltweit verkauft. Der Film könnte auch ein Kandidat für die Golden Globes und den Oscar werden.
Zurück nach Cannes: Zweiter großer Sieger im Wettbewerb war das Exorzismus-Drama „Beyond The Hills“ aus Rumänien. Regisseur Cristian Mungiu erhielt den Drehbuch-Preis. Seine Darstellerinnen Cosmina Stratan und Cristina Flutur wurden als beste Schauspielerinnen ausgezeichnet.
Der Preis für den besten Schauspieler ging an einen Star aus Dänemark, der als Bond-Schurke (in „Casino Royale“) weltbekannt wurde: Mads Mikkelsen. Im Drama „Jagten“ von Thomas Vinterberg spielt er einen sanften Mann, der unter den falschen Verdacht gerät, ein kleines Mädchen missbraucht zu haben – und dessen Existenz unter den Anschuldigungen zu zerbrechen droht.
Der Regiepreis wurde an den Mexikaner Carlos Reygadas („Post tenebras lux“) verliehen, der Preis der Jury an den britischen Cannes-Veteranen Ken Loach für sein heiteres Werk „The Angel’s Share“. Gelinde Verwunderung gab’s bei vielen Beobachtern über den Großen Preis der Jury für den italienischen Regisseur Matteo Garrone: Dessen Mediensatire „Reality“ galt allgemein als einer der schwächeren Filme des Wettbewerbs.
Erst 7 Regisseure bekamen zwei Goldene Palmen
Michael Haneke ist erst der siebente Regisseur, dem es gelungen ist, zwei Goldene Palmen bei den Filmfestspielen in Cannes zu gewinnen. Der erste war der Schwede Alf Sjöberg 1946 und 1951, auch Francis Ford Coppola und Emir Kusturica finden sich in der renommierten Liste:
Alf Sjöberg, Schweden (1946, 1951)
Francis Ford Coppola, USA (1974, 1979)
Bille August, Dänemark (1988, 1992)
Emir Kusturica, Serbien (1985, 1995)
Shohei Imamura, Japan (1983, 1997)
Luc and Jean-Pierre Dardenne, Belgien (1999, 2005)
Michael Haneke, Österreich (2009, 2012)
Die wichtigsten Auszeichnungen des 65. Festivals auf einen Blick:
GOLDENE PALME: "Amour", Michael Haneke (Österreich)
GROSSER PREIS DER JURY: "Reality", Matteo Garrone (Italien)
BESTE SCHAUSPIELERIN: Cosmina Stratan und Cristina Flutur in "Beyond the Hills" von Cristian Mungiu (Rumänien)
BESTER SCHAUSPIELER: Mads Mikkelsen in "Jagten" von Thomas Vinterberg (Dänemark)
BESTES DREHBUCH: Cristian Mungiu (Rumänien), "Beyond the Hills"
BESTE REGIE: Carlos Reygadas (Mexiko), "Post tenebras lux"
PREIS DER JURY: "The Angel's Share", Ken Loach (Großbritannien)