Barbara Rett analysiert die Verdi-Oper "La forza del destino", welche der ORF auch am Samstag überträgt.
In allererster Linie ein musikalisches Feuerwerk! Die Macht des Schicksals besticht durch ihre großen Melodien. Keine Schlager, die man sofort nachpfeifen kann – die Forza hat große Seelenmusik.
Wie ein Architekt legt Verdi Themenbögen an, spannt sie weit vom ersten Ton der Ouvertüre an bis zum letzten, dem Erlösungsthema, das all die blutigen schicksalhaften Verwicklungen bündelt, reinigt und ins Spirituelle führt.
Frieden
Denn in dieser Oper suchen alle Erlösung – sie suchen
„Pietà“ und „Pace“ – Gnade, Erbarmen, inneren Frieden. Sie suchen Erlösung
von Schuld, die sie vermeintlich auf sich geladen haben, von Rachegefühlen,
die sie wie Furien hetzen, von Flüchen und Begierden, vor allem aber – vom
eigenen Ich.
David Pountney arbeitet an der Staatsoper heraus, wie modern Verdis Sicht des Menschen ist. Er zeigt wie Verdi vorwegnimmt, was rund ein halbes Jahrhundert später Sigmund Freud „entdecken“ sollte. Ich und Über-Ich, Schuldgefühl und Übertragung beherrschen das Seelenleben der Protagonisten und führen zu ihren Verstrickungen.
Konflikt
Allein der Beziehungskonflikt zu Beginn der Oper („du
liebst mich nicht, wie ich dich liebe“) ist doch zeitlos und jedem von uns
bekannt, und dass Pountney den englischen Bass Alistair Miles eine
Doppelrolle spielen lässt, hilft ihm, Leonores Vaterthema zuzuspitzen.
Ein Stern
Es ist der Zufall – eine Pistolenkugel löst sich und
tötet einen Menschen –, der alles in Gang setzt, der die „Macht des
Schicksals“ wie einen Tsunami über drei Menschen hinwegrollen lässt. In all
der Düsternis leuchtet ein Stern – es ist die Schwedin Nina Stemme, die den
Abend überstrahlt. Mit ihrer warmen, scheinbar unerschöpflichen Stimme
schafft sie Intimität und Spannung, sogar wenn sie ganz allein auf der Bühne
steht.
Die Stemme hat in Wien schon einige solcher Frauenrollen gesungen – etwa die Senta im Fliegenden Holländer oder die Sieglinde in der jüngsten Walküre-Produktion, und dass es Staatsoperndirektor Ioan Holender gelungen ist, diese Ausnahmesängerin eng ans Haus zu binden, weiß ihm das Wiener Publikum zu danken.
Sexy und frech. Ihr dunkles Gegenbild ist in der Forza ihr Bruder, und auch der spanische Bariton Carlos Álvarez, ebenfalls ein Liebling des Wiener Publikums, zeigt in seiner großen Arie, wie Verdi die seelischen Abgründe des Menschen regelrecht seziert. Der italienische Tenor Salvatore Licitra ermöglicht diese Aufführung erst, denn allzu viele Sänger, die diese Partie schaffen, laufen derzeit nicht herum – und die junge Bulgarin Nadia Krasteva schafft es, hinreißend sexy und frech aus ihrer winzigen Rolle (mit dem dümmsten Text der Operngeschichte) ein glitzerndes Irrlicht zu machen.
Zubin Mehta am Pult der Wiener Philharmoniker ist ein Garant für einen spannenden Opernabend – ich hoffe, Sie sind mit dabei!