Um Nikolaus Harnoncourt enger an seine Heimatstadt Graz zu binden, wurden 1985 für ihn die steirischen Festspiele styriarte gegründet. Zum Auftakt des heurigen Festivals dirigiert der Großmeister des Originalklangs ab Samstag in der Grazer Helmut-List-Halle Offenbachs geniale Opéra bouffe Ritter Blaubart.
ÖSTERREICH:Warum dirigieren Sie Offenbach im Wagner-Jahr? Nikolaus Harnoncourt: Das finde ich lustig, der Wagner hat den Offenbach ja gehasst. Und zwar nicht aus rassistischen Gründen – sein Antisemitismus hat sich eher gegen Meyerbeer und Mendelssohn gerichtet –, sondern aus Begabungsgründen. Offenbach war ein genialer Musiker, ein großer Instrumentalist und Cellist von atemberaubender rhythmischer und harmonischer Kühnheit. Er ist der Vater von Georges Bizet und Johann Strauß.
ÖSTERREICH: Ist Offenbachs „Barbe-Bleue“ eine Operette? Harnoncourt: Was heißt schon Operette? Mozart hat seine Entführung „Operette“ genannt. Offenbach hat nur seine Einakter als „Operetten“ – also kleine Opern – bezeichnet. Er hat den Johann Strauß animiert, dramatische Musik zu schreiben, und ist der Erfinder dessen, was man ab der Fledermaus die „Wiener Operette“ nennt, die dann über die goldene, silberne und bronzene Periode in fürchterlichen Kitsch rutscht.
ÖSTERREICH:Ritter Blaubart tötet seine fünf Frauen, das ist doch sehr grausam … Harnoncourt: Alle Märchen sind grausam. Ritter Blaubart ist infernalisch komisch und extrem realistisch. Bei Offenbach ist jeder Mensch ein Mörder, jeder hat seine Leichen im Keller. Karl Kraus hat Offenbach als den größten Satiriker aller Zeiten bezeichnet.
ÖSTERREICH: Was sagen Sie zu Pereiras erzwungenem Abgang aus Salzburg? Harnoncourt: Das ist empörend, fast infernalisch gemein. Jeder Intendant hat in seinem letzten Jahr noch einen zweiten Job, das geht gar nicht anders. Alles, was Pereira gemacht hat, war top. Im Salzburger Hexenkessel sind Provinzpolitiker und kulturlose Nebochanten am Werk. Die Mailänder Scala kann sich die Finger abschlecken, dass sie so einen Intendanten kriegt.
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