Voraufführung von Rolf Hochhuths "Inselkomödie" am Berliner Ensemble.
Er wollte unbedingt dabei sein. Wenigstens eine kleine Rolle spielen. So sitzt der 106-jährige Johannes Heesters nun auf einem prachtvollen Thron. Als König in Rolf Hochhuths "Inselkomödie" spricht der fast erblindete Greis zwei kurze Monologe. Am Mittwochabend, 28.7. war der älteste aktive Schauspieler der Welt in einer Voraufführung des Musicals am Berliner Ensemble erstmals zu sehen.
TV-Stars
Heesters gehört zur illustren Riege der Stars, die der
Dramatiker Hochhuth
(79) für sein Sommerspektakel an Claus Peymanns Theater zusammengetrommelt
hat. Zwei Fernsehgesichter sollen Publikum anlocken. Schauspielerin,
Moderatorin und Ex-Dschungelcamp-Bewohnerin Caroline Beil (43) spielt die
Amazone Lysistrate. In dieser Rolle fordert sie ihre Geschlechtsgenossinnen
zu einem Sex-Streik auf, um die Männer vom Krieg abzubringen. Auch der
"Lindenstraßen"-Wirt Kostas Papanastasiou steht auf der Bühne - als Wirt.
Würdiger König
"Schon von alters her, lehrt
Homer: Frauen, setzt euch auch zur Wehr", deklamiert Heesters zum Auftakt
des Singspiels. Seine Worte verschwimmen manchmal in die Undeutlichkeit.
Doch im schwarzen Samtanzug, mit den elegant gekreuzten Beinen und seinem
feinen weißen Haar gibt er einen würdigen König ab.
Sex-Streik
Schaurig deftig geht es dann in Florian Fries'
Musicalfassung des bereits 1974 uraufgeführten Hochhuth-Stücks "Inselkomödie
oder Lysistrate und die NATO" zu. Der 29-jährige Dirigent hat für die
angestaubte Antikriegs-Komödie schmissige, zwischen Swing, Schlager und Pop
changierende Songs komponiert. Gleich in den ersten Minuten lässt ein
Kellner (Jan-Andreas Kemna) dann die Hosen zum Spontan-Sex herunter. Damit
soll es aber ein Ende haben. Die Frauen auf der kleinen griechischen Insel
beschließen einen Sex-Streik - solange, bis die Männer von dem Plan
abrücken, ihre Ländereien den Amerikanern für eine NATO-Raketenbasis zur
Verfügung zu stellen. Naturgemäß reißt Hochhuths frei nach dem antiken Stoff
von Aristophanes entstandene Parabel aus dem Kalten Krieg heute keinen mehr
so richtig vom Hocker.
"Sex statt Krieg"
Nach dem Motto "Sex statt Krieg"
lässt Regisseur Heiko Stang die weiblichen Darstellerinnen viel, viel Haut
zeigen. Caroline Beil trägt zum kurzen Amazonen-Kleidchen lange schwarze
Stiefel und schwingt das Tanzbein nach Striptease-Art über Stühle. So
richtig findet sie aber nicht in die Rolle hinein. Nur in ihren
Gesangseinlagen dreht die Schauspielerin ("Ich habe mir das immer gewünscht,
mal im Musical mitzumachen") auf. In den Dialogen bleibt sie seltsam
unbeteiligt, was irgendwie lustlos und arrogant wirkt.
Streit 2009
Als "wahres Wunder" bezeichnete Hochhuth ("Der
Stellvertreter"), dass sein Sommerstück dieses Mal tatsächlich im Berliner
Ensemble aufgeführt werden kann. Im vergangenen Jahr lieferte er sich einen
erbitterten, bis vor Gericht führenden Streit mit Peymann, dem Direktor des
Theaters. Hochhuth ist über die Ilse-Holzapfel-Stiftung Eigentümer der
Theater-Immobilie am Schiffbauerdamm, die er an das Land Berlin vermietet
hat.
Schikanen gegen Regisseur
In der Sommerpause darf Hochhuth dort
jedes Jahr eine eigene Inszenierung zeigen. Wegen versäumter Anmeldefristen
und Bauarbeiten im Haus, konnte er die Bühne 2009 aber nicht nutzen. Trotz
diverser "Schikanen" will Hochhuth auch in Zukunft im Berliner Ensemble
spielen lassen und hat seinen Anspruch auch schon angemeldet, wie er sagte. Offizielle
Premiere der "Inselkomödie" ist am Freitag (30. Juli). Bis zum 8. August
gibt es sechs weitere Aufführungen.