J. K. Rowling ist die reichste Autorin der Welt. Ihre sieben Kinderbücher über den jungen Zauberer Harry Potter, der erst seine Magierschule und später die Welt rettet, wurden weltweit in 73 Sprachen übersetzt und 450 Millionen Mal verkauft. Nun hat die erfolgreiche Engländerin ihren ersten Roman für Erwachsene vorgelegt: Ein plötzlicher Todesfall (The Casual Vacancy) ist am Donnerstag um 9 Uhr im englisch- und deutschsprachigen Raum erschienen. Der Hamburger Carlsen-Verlag, der die Rechte an der deutschen Übersetzung hat, ist mit einer riesigen Startauflage von 500.000 Stück ins Rennen gegangen.
Der Roman wurde zum Staatsgeheimnis erklärt Wiewohl der Inhalt des Romans, wie weiland in den glanzvollen Harry Potter-Zeiten, zu einer Art Staatsgeheimnis erklärt worden war, ist der Ansturm der LeserInnen bisher ausgeblieben. Während vom letzten Harry Potter-Band am ersten Verkaufstag in Großbritannien 2,5 Millionen Bücher über die Ladentische gegangen waren, gab es diesmal nicht einmal in London Schlangen vor den Buchhandlungen. Trotzdem wurden in Großbritannien bei den großen Buchmachern Wetten darauf abgeschlossen, dass Rowlings jüngster Wurf mindestens 30 Millionen Mal verkauft wird. Und die größte australische Buchhandelskette Dymocks hatte Tausende Vorbestellungen gemeldet.
Keine märchenhafte Abenteuerstory Keine märchenhafte Abenteuerstory wie in ihren Harry Potter-Megasellern, sondern einen politischen, sozialkritischen Roman im Stil der großen englischen realistischen Erzählerin des viktorianischen Zeitalters, George Eliot (Adam Bede, Middlemarch), hat Rowling geschrieben: In Ein plötzlicher Todesfall erzählt sie auf 600 Seiten vom nicht besonders ereignisreichen Leben in der fiktiven südwestenglischen Kleinstadt Pagford. „Ich mag Romane aus dem 19. Jahrhundert, in denen ein Dorf oder eine Kleinstadt im Mittelpunkt stehen“, sagt sie. „Mein Roman spielt in einer kleinen Gemeinde, womit die ganze Bandbreite an Figuren, von Jugendlichen bis zu über Sechzigjährigen, umfasst wird. Wie bei Harry Potter geht es auch hier um Moral und Sterblichkeit, nur eben in der heutigen Zeit.“
„Barry Fairbrother wäre lieber zu Hause geblieben.“ Mit diesem Satz beginnt das Buch, und zwei Seiten später ist der Protagonist, ein sympathischer 40-jähriger Gemeinderat, Rudertrainer und Familienvater, auch schon tot. „Wie eine Abrissbirne“ hatte ein nie gekannter Schmerz in seinen Kopf eingeschlagen. In seinem Erbrochenen liegt er vor dem Golfclub, um ihn herum Geschrei, Blaulicht und heulende Frauen. Freilich bleibt Fairbrother wie ein guter Geist auch nach seinem Hinscheiden, in dessen Folge wüste Machtkämpfe und Intrigen inklusive Cybermobbing, Vergewaltigung oder Selbstverstümmelung auf der Tagesordnung stehen, präsent.
Alkohol, Drogen, sexuelle Ausschweifungen Das besondere Interesse der früheren Lehrerin J. K. Rowling gilt den orientierungslosen Jugendlichen, die versuchen, sich mit Alkohol, Drogen und sexuellen Ausschweifungen aus ihrem tristen Alltag zu retten. „Ich glaube, es ist die Zerbrechlichkeit, die Unsicherheit in der Pubertät, die mich an Jugendlichen fasziniert“, sagt Rowling. „Es ist eine Zeit des Lebens, in der man sehr verletzlich ist.“
,Der Spiegel‘ wirft Rowling zu viele Sexszenen vor Die internationalen Kritiken des Romans waren zwiespältig. Aus der Sicht der New York Times ist die Welt des Romans „so absichtlich banal, so deprimierend klischeebehaftet“, dass das Buch nicht nur enttäuschend, sondern auch „geistlos“ sei.
Der Guardian spricht von einem „soliden, traditionellen und entschieden einfallslosen englischen Roman“, während das Time Magazine das Buch als „groß, ambitioniert, brillant, weltlich, witzig, zutiefst aufwühlend und herrlich eloquent“ lobt.
Der Spiegel wirft dem Buch zu viele Sexszenen vor, die allesamt „überdrastisch ausgemalt und dabei ziemlich klischeehaft“ wären.
Und: „Rowlings neuer Roman steckt voller Klischees, ist unbeholfen geschrieben und offenbart ein weltfremdes Verständnis von der Realität. Das braucht niemand.“
„Nichts gegen Kraftwörter“, so Der Spiegel weiter, „aber man muss schon einigermaßen weltfremd sein, um der Leserschaft im Jahr 2012 derart penetrant Zotigkeiten vorzusetzen“, zieht das Hamburger Magazin vom Leder. Ähnlich ist der Tenor in der gesamten deutschen Presse.
Kritisch anzumerken wäre, dass die Prosa der Autorin ziemlich simpel ist, ihre Erzählweise konventionell. Manche schöne Passagen, die mit schwarzem Humor, bissiger Satire und spielerischer Ironie aufwarten, ertrinken im Meer klischierter Sülze.
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