Birgit Stöger überzeugte als weibliche Variante der Titelfigur.
Knapp, klar und in eher salopper Sprache konnte Henrik Ibsens Drama "Ein Volksfeind" am 23. November im Grazer Schauspielhaus das Publikum überzeugen. Regisseurin Christine Eder setzte auf eine weibliche Heldin, was die Geschichte um eine unbequeme Wahrheit noch eine Spur bitterer machte, zeigte Birgit Stöger doch großartig, wie sie als Frau von allen Männern skrupellos beiseitegeschoben wird.
Zeichnung der menschlichen Schwächen
Es spielt in Wirklichkeit keine Rolle, ob eine Kurarzt oder eben eine Ärztin im Mittelpunkt des Skandals um vergiftetes Wasser in der Heiltherme steht - Ibsens "Volksfeind" ist in seiner Härte und Genauigkeit bei der Zeichnung der menschlichen Schwächen beklemmend aktuell. Und so ist es hier eben eine Frau, die einen treu sorgenden Ehemann zu Hause hat, während sie sich gegen die Machthaber der Stadt stellt. Dass der Bürgermeister ihr eigener Bruder ist, verschärft die Sache noch. Regisseurin Christine Eder hätte getrost auf allerlei Firlefanz wie die Grillparty mit echten Würsten oder das Karaoke-Getöse verzichten können, auch die Videoeinspielungen waren eigentlich unnötig, die Darsteller waren durchaus imstande, die Sache jetzt und hier und live auf den Punkt zu bringen. Sie hatten allerdings durch die extreme Textreduzierung nicht viele Möglichkeiten, ihren Figuren wirklich Profil zu verleihen.
Realitätsnahe Züge
Der Konflikt der Ärztin, die zunächst den Bau des Heilbades vorantreibt, später aber erkennen muss, dass das Wasser gesundheitsschädlich ist, wird hier nicht bagatellisiert. Birgit Stöger spielt auch keine tapfere Jeanne d'Arc, die mit fliegender Fahne untergeht, sondern eine leicht gestresste, sich ihrer Verantwortung bewusste Frau, die eine etwas überdrehte Fanatikerin wird, als alles sich gegen sie wendet. Gerade das macht die Figur aber interessant, sie hat keinen Heiligenschein, aber abgrundtiefe Verachtung für alles Mitläufertum. Zuletzt geht es längst nicht mehr um die Badeanstalt, sondern um die Frage der Sauberkeit von Politik und den Wert der Demokratie, und auch hier erweist sich Ibsen als unglaublich heutig.
Spannungsfeld breit gefächert
Als Bruder und entschiedensten Gegenspieler der Ärztin zeichnet Thomas Frank einen machtgeilen, knallharten Bürgermeister, dem das eigene Wohl weit wichtiger ist als die Gesundheit der Badegäste. Florian Köhler als Ehemann, der sich um die Kinder kümmert, während seine Frau sich um das finanzielle Wohl der Familie sorgt, ist liebenswürdig und bemüht - genauso, wie Ibsen einst die treue Ehefrau gezeichnet hat. Sebastian Reiß als Journalist und Franz Solar als Druckereibesitzer überzeugen als Typen, die solange für das Recht der "kleinen Leute" kämpfen, bis sie selbst Nachteile davon haben. Evi Kerstephan (Billing), Agnes Kammerer (Petra) und Gerhard Balluch als perfider Schwiegervater ergänzen das solide Ensemble.
Info
"Ein Volksfeind" von Henrik Ibsen im Grazer Schauspielhaus. Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel. Regie: Christine Eder, Bühne und Kostüme: Monika Rovan. Mit: Birgit Stöger (Dr. Katrine Stockmann), Florian Köhler (Tomas, ihr Mann), Agnes Kammerer (Petra, Katrines Tochter), Thomas Frank (Peter Stockmann), Sebastian Reiß (Hovstad, Redakteur), Evi Kehrstephan (Billing), Franz Solar (Aslaksen), Gerhard Balluch (Morten Kill). Nächste Vorstellungen: 27. und 29. November, 3. und 18. Dezember. Karten: Tel. 0316/8000 oder mailto:tickets@buehnen-graz.com. www.schauspielhaus-graz.at