Enthüllungsbuch

Ioan Holenders finaler Coup

17.06.2010

Das macht er nach dem Staatsopern-Aus. Plus: die brisantesten Stellen seiner Bio!

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Domingo singt zum Finale der „Ära Holender“ 15 Minuten Parsifal. Überraschungen bei der letzten Pressekonferenz des scheidenden Direktors...

Ganz am Schluss sprach Ioan Holender auch über seine persönliche Zukunft. Er hat Beraterverträge mit New York (Metropolitan Opera) und Tokio (Opernproduktionen), Lehraufträge der Universitäten in Wien und Krems, er bleibt künstlerischer Leiter des Enescu-Festivals in Bukarest, und er verhandelt noch mit Budapest, wo er – ÖSTERREICH berichtete – „Künstlerischer Beauftragter“ der Nationaloper werden soll.

Überraschung: Finale mit Domingo als Parsifal
Er wird beim ORF-Radio ab Herbst am ersten Montag jedes Monats ein „Gespräch mit interessanten Menschen führen, die sich für Musik interessieren“. Und er wird beim Privatsender ATV am letzten Montag jedes Monats seine Talk-Serie zumindest ein Jahr lang fortsetzen. Es wird Ioan Holender (demnächst 75) also nicht langweilig werden.

Hinterlässt fast 12 Millionen
Vor diesen persönlichen Perspektiven machte Holender bei seiner letzten Pressekonferenz als Staatsoperndirektor ein paar imponierende Angaben. Sensationell vor allem, dass er seinem Nachfolger Dominique Meyer 11.787.000 Euro hinterlässt. „Ich habe immer gewusst, wofür ich Geld nicht ausgeben wollte“, definierte Holender seine oft als übertrieben bezeichnete Sparsamkeit. Obwohl er seit 1999 (Bundestheater-Ausgliederung) keine wirkliche Budgeterhöhung erhielt, hat er dank tollen 45% Eigendeckung die knapp zwölf Millionen zurücklegen können.

Sentimental
Als Holender am 1. September 1991 (mit Eberhard Wächter) die erste Saison begann, stand Parsifal auf dem Programm mit Waltraud Meier als Kundry und Plácido Domingo in der Titelrolle. Mit dieser Wagner-Oper endet auch Holenders letzte Saison am 30. Juni 2010. Wieder mit der Meier als Kundry. Und auch Domingo ist mit dabei, wird aber nur in den letzten 15 Minuten des 3. Akts den Parsifal singen. Auch dem angeblich so harten Ioan Holender muss finale Sentimentalität erlaubt sein.

Das Holender-Buch „Ich bin noch nicht fertig“ erscheint bei Zsolnay. Die Aufreger

Holender über Regierung
„Noch nie habe ich uns gegenüber ein derartiges Desinteresse und eine solche Kälte empfunden, wie sie die seit 2008 im Amt befindliche Regierung an den Tag legt. (...) Die Präsenz der politischen Führung der ,Kuschelkoalition‘ beschränkt sich allgemein nur auf Aktivitäten, die der Machterhaltung und Wählerstimmenakquisition dienen, und da sie zu allem Künstlerischen ohnehin kaum Zugang finden, bleiben sie am liebsten gleich ganz fern.“

Über den Opernball
„Das mediale Getöse, das lange vor dem Einzug der 160 Eröffnungspaare in die für diesen Zweck umgebaute Oper einsetzt, ist Jahr für Jahr enorm. Klatschreporter stürzen sich auf jede noch so kleine Nachricht. Ohne die stundenlange TV-Live-Übertragung aber hätte der Opernball nicht diese peinigende Präsenz. (...) Ich finde es merkwürdig, dass man Subventionen, also Steuergelder, verwendet, um einen Ball zu ermöglichen und die Staatsoper tagelang zusperrt, um daraus einen Ballsaal zu machen.“

Über den ORF
„Vergleicht man die Sendezeiten von heute mit denjenigen von 2002, erkennt man, was aus dem gesetzlich verankerten Kulturauftrag im gebührenpflichtigen ORF geworden ist. (...) Heute überträgt das staatliche österreichische Fernsehen aus der Wiener Staatsoper faktisch nichts mehr.“

Über Salzburg
„(...) seither haben die Salzburger Festspiele nie mehr jenen Glanz und jene Qualität ausgestrahlt wie zu Zeiten Karajans. Viel mehr noch, es ist kontinuierlich abwärts gegangen. Von den Osterfestspielen will ich gar nicht reden. (Deshalb) fiel es mir immer schwer, im Sommer in der von Möchtegernen und Wichtigmachern dominierten Festspielstadt zu verweilen. Wobei es so schlimm wie derzeit noch nie war.“

Über Rabl-Stadler
„In der Ablehnung des kleingeistigen und xenophoben Österreich stimmten wir vollkommen überein, ebenso in der Einschätzung der geschäftigen neuen Salzburger Festspiel-Intendantin Helga Rabl-Stadler.“

Über das Theater an der Wien
„Derzeit ist das Haus häufiger geschlossen, als es bespielt wird.“

Über die Philharmoniker
„(...) in den letzten zwei Jahrzehnten jedoch sind die finanziellen Möglichkeiten und die Begehrlichkeiten von Veranstaltern gewachsen, von Abu Dhabi bis Bombay und Sydney bis Hongkong, und somit will jeder die Philharmoniker haben. Es wird immer schwieriger, einen Weg zwischen der Anwesenheit der Philharmoniker im Orchestergraben und der Abwesenheit der Musiker des Staatsopernorchesters zu finden.“

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