Konzert
Jan Delay bringt Wien zum Brodeln
16.10.2009
Unverschämt gute Mischung aus Soul, Funk, Disco, Reggae und Rap
Das Wiener Publikum scheint bei Jan Delay als etwas steif verschrien. Darum haben der Hamburger und seine Band, die Disko No. 1, zum Konzert am Donnerstag, 15.10., in den ausverkauften Gasometer einen "Nussknacker mitgebracht", wie der 33-Jährige sagte. Dieser bestand aus einer mitreißenden Mischung aus Funk, Disco, Reggae und Rap, die elegante gespielt und lässig dargeboten wurde. "Let's knack!", spornte Delay seine Musiker an. Irgendwann brodelte dann die Halle sogar auch auf dem oberen Rang, wo die fleißigen Ordner die Besucher nicht mehr zum Niedersetzen bewegen konnten. Spaßverderben war an diesem Abend einfach unmöglich.
Sound passt perfekt
Dabei steht Delay nicht nur für Party: Gegen
die Machenschaften der Glitzerwelt wettert er im Text zu "Showgeschäft",
linke Parolen schmettert er und kritisiert die Konzerne. Der ehemalige
Rapper bei Absolute Beginner, der selber für Wiedersprüche sorgt mit
seinem Faible für Markenturnschuhe oder zum Beispiel mit dem Mitwirken in
eben jenem von ihm angeprangerten Showgeschäft, ist alles andere als glatt
und kalkulierbar. Und dazu passt der Sound doch perfekt, der sich aus
mehreren Stilen generiert, wobei bei man nie wissen kann, welche Richtung
ein Lied einschlagen wird. Es groovt, es funkt, das "Feuer" (so ein
Songtitel) springt rasch über. Man weiß nie so recht, ob man in der
70er-Disco (das Stück "Disko" vom aktuellen Album "Wir Kinder vom Bahnhof
Soul" gab es auch zu hören) oder in einer TV-Aufzeichnung mit Max Gregor
gelandet ist.
Platz für Ironie
Nur selten brach der Spielfluss (bei etwas
ausufernden Ansagen und Bandvorstellungen), meist ging es flott dahin, Jan
Phillip Eißfeldt alias Delay flankiert von Bläsern und einem hinreißenden
Background-Damen-Trio, dahinter Drums, Bass, Gitarre und Tasteninstrument,
eingerahmt von einer nicht zu dekadenten, dafür umso stimmigeren Lichtshow,
brachte "Oh Jonny", "Large" (mit Zitat von Falcos "Kommissar"), "Ein Leben
lang", "Abschlussball", "Klar" und sogar ein bisschen von MC Hammers "U
Can't Touch This". Zwischen dem Lästern, Singen und Tanzbeinschwingen
(herrlich choreographiert mit Liebe zum Detail) war Platz für Ironie, ja
sogar währenddessen ging es mitunter nicht ohne Augenzwinkern. Da packte der
gute Jan auch noch den Discostick aus, ohne gaga zu werden.
"Ich habe das Glück gehabt, mit geiler Musik aufgewachsen zu sein",
betonte Delay
im Interview mit der APA. "Die hat aus mir das gemacht, was ich bin - nicht
nur musikalisch, ich habe mir auch meine Haltung daraus rausgesogen. Das
möchte ich wiedergeben. Denn nicht viele Kids haben das Glück, in einer
Großstadt aufzuwachsen oder in einem Umfeld, in dem sie mit interessanter
subkultureller Musik konfrontiert werden, die einfach nicht im Mainstream -
im Radio, Fernsehen oder sonst wo - stattfindet. Ich will diese schönen
Dinge am Leben erhalten und sie für die nächste Generation mundgerecht
zusammenbringen und servieren, diesen Geschmack am Leben erhalten.
Vielleicht tauchen die Leute ja darüber in eine für sie vollkommen neue Welt
ein."