Ausblick auf 2013

Jasper Sharp bringt 2013 Freud nach Wien

28.12.2012

Britischem Kurator steht intensives Jahr als Zeitgenossen-Kurator am KHM bevor.

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© www.labiennalevenezia.at
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 Eine private Begegnung geriet der heimischen Kunstwelt vor einigen Jahren zum Gewinn: Jasper Sharp, britischer Kurator und Kunsthistoriker verschlug es 2006 wegen seiner zukünftigen Frau nach Wien. 2013 wird er einige der wesentlichsten Kunstereignisse des Jahres verantworten: Im Kunsthistorischen Museum (KHM) zeigt er als Kurator für Moderne und Zeitgenössische Kunst die erste Schau zu Lucian Freud in Österreich, bei der Biennale Venedig präsentiert er als Kommissär des Österreich-Pavillons ein "sehr ehrgeiziges" Projekt von Mathias Poledna. Im APA-Interview spricht Sharp über Bilder im Kopf, die venezianische Zeitrechnung und die Jagd nach alten Biennale-Fotos.

Jasper Sharp im APA-Talk

APA: Im Herbst zeigen Sie im Kunsthistorischen Museum die erste Lucian Freud-Ausstellung in Österreich, Freud selbst starb allerdings während der Planungsphase. Konnte er noch konkrete Wünsche hinterlassen?

Sharp:
Er hat im Kern die Bilder ausgewählt. Wir werden 35 bis 40 zentrale Werke zeigen. Und er hat uns um drei Dinge gebeten: Dass die Arbeiten wenn möglich ein wenig natürliches Tageslicht bekommen, dass sie auf grauem Hintergrund präsentiert werden und dass sie nicht in direkter Auseinandersetzung mit den Alten Meistern gehängt werden. Das wollte er nicht - aus Demut und Respekt.

APA: Dabei hätte sich eine direkte Gegenüberstellung doch angeboten, oder?

Sharp: Einerseits ja - wegen des starken Bezugs seiner Werke zu der Gemäldegalerie aber auch zur ägyptischen Sammlung. Andererseits ist es vielleicht für den Besucher sogar lohnender, die Verbindung selbst herzustellen, und die Bilder sozusagen im Kopf von einem zu einem anderen Raum zu tragen.

APA:
Wie empfinden Sie als Brite den Stellenwert von Lucian Freud in Österreich?

Sharp: Ich verstehe die Wichtigkeit des Namen Freud. Aber ich weiß auch, dass man damit in Österreich jemand anderen meint und dass viele gar nicht wissen, dass Sigmund einen Enkel hatte, der ein wichtiger Maler war. In England kennt ihn absolut jeder, er war einer der Künstler, die den Sprung vom Feuilleton ins Hochglanzmagazin geschafft haben. Einerseits wegen seiner Motive - fette, nackte Menschen - andererseits wegen seines bunten Lebensstils. Dass es in Österreich die erste Schau ist, macht mir keinen zusätzlichen Druck. Ich möchte einfach ihm, aber auch der Sammlung des KHM gerecht werden. Man macht eine ziemlich starke Aussage, wenn man einen zeitgenössischen Künstler in den Kontext der Kunstgeschichte setzt.

APA:
Wie gut kannte er die Sammlung des KHM?

Sharp: Gut, aber aus der Distanz. Jedes Mal, wenn Sigmund nach Berlin zu der Familie seines Sohnes gereist ist, brachte er einige Drucke mit, meist aus dem KHM. Für Lucian waren die Meisterwerke der Gemäldegalerie die ersten Bilder, die er gesehen hat und mit denen er aufgewachsen ist. Als wir uns einen Katalog des Museums angesehen haben, kannte er die Bilder gut - aber ich musste ihm sagen, wie groß sie sind. Dann hat er die Augen geschlossen, und es sich in der Größe vorgestellt.

APA: Sie kannten Freud schon als Jugendlicher...

Sharp: Er war mein Nachbar. Daneben auf der anderen Seite gab es ein Cafe, in dem wir oft zusammengesessen sind. Er war jeden Tag dort, am selben Tisch, mit der selben Zeitung, und er freute sich über Gespräche. Er war sehr tolerant, was meine naiven Fragen angeht und ich, der damals bei den Großeltern lebte, wusste, wann man ihn besser in Ruhe lässt. Für die ganze Straße war er einfach eine faszinierende Präsenz. Mit ihm war es nie langweilig.

APA: Ihr eigener Weg führte zunächst vom Jus-Studium zur Kunstgeschichte und von London nach Venedig - wie hat es Sie nach Wien verschlagen?

Sharp:
Ich war sechs Jahre für das Guggenheim in Venedig tätig - und das bedeutet eigentlich 48 Jahre, denn in Venedig geht alles so langsam, dass man in Hundejahren rechnen muss (lacht). Danach wollte ich eigentlich für mein Doktorat nach New York, als ich eine wundervolle österreichische Dame kennenlernte. Eine Zeit lang bin ich hin- und hergependelt, dann habe ich mich für Wien entschieden. Heute ist diese wundervolle Dame meine Frau - und vor wenigen Jahren bin ich in einen sehr interessanten Dialog mit Sabine Haag getreten, darüber wie man zeitgenössische Kunst im KHM zeigen könnte.

APA: Das zeitgenössische Programm läuft jetzt seit einem Jahr. Was ist die größte Herausforderung?

Sharp: Wie gesagt, es ist eine starke Aussage, zeitgenössische Kunst in so ein Haus zu bringen. Ich bin da sehr vorsichtig, bisher haben wir eine einzige, kleine Zeichnung von Ed Ruscha ins Haus gebracht. Und wenn wir etwas zeigen, dann ist mir ganz wichtig keine Ausstellungen zu machen, für die ein anderer Ort in Wien geeigneter oder genauso geeignet wäre. Alle Ausstellungen hier werden einen starken Bezug zur Sammlung haben. Freud spricht zur Gemäldegalerie, Joseph Cornell dann zur Kunstkammer.

APA: Wie geht es im Theseustempel weiter?

Sharp: Dort waren wir mit der Resonanz bisher sehr zufrieden. In dreieinhalb Monaten hatten wir fast 100.000 Besucher. Bald wird dort unser erstes Auftragswerk eröffnen: Der schottische Künstler Richard Wright malt den Innenraum aus.

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