Elfriede Jelineks polemische „Wirtschaftskomödie“ hat am 16.4. in Köln Premiere.
Die Kontrakte des Kaufmanns wurden nicht im „Elfenbeinturm“ geschrieben. Elfriede Jelineks Stück handelt vom Hier und Jetzt – von der Wirtschaftskrise im Allgemeinen und der „Causa Meinl“ im Besonderen.
Jelineks Wunsch
Eine Ur-Lesung fand am 16. März im Wiener
Akademietheater statt, die reguläre Uraufführung geht heute auf Jelineks
Wunsch im Schauspiel Köln über die Bühne. Regie führt Nicolas Stemann.
Anspielungen
Ob
die Kölner alle Anspielungen verstehen werden? „Der Mohr hat seine
Schuldigkeit getan, der Mohr ist gegangen / dahin gegangen ist unser
Erspartes“, zetert da etwa der Chor der Kleinanleger: „Der Greißler als
Banker / viel versprochen, nichts gehalten.“ Und der Chor der Greise
(Banker) verhöhnt die Klagenden: „Wir haben Ihnen 15% versprochen, und Sie
haben das geglaubt (...) 15% Garantie per anus, per rectum.“
Falco-Hit
Sogar
der Falco-Hit Jeanny kommt – in modulierter Form – vor: „Meinl, quit
living on dreams / Meinl, life is not what it seems / Such a lonely little
firm in a cold, cold world (...) Die Polizei schließt die Möglichkeit nicht
aus, dass es sich hier um ein Verbrechen handelt.“ Jedenfalls in Wien war
das ein Lacherfolg.
Reaktion
Julius V. reagierte damals
entspannt: „Berühmt wird man nur, wenn man in der Literatur vorkommt"
Humorvoll
Eingerissen ist das mit Thomas Bernhard...dass
österreichische Autoren glauben, sie wischen den Spießern hierzulande eins
aus, indem sie ihre Stücke woanders (ur)aufführen lassen. So hat
jetzt auch Elfriede Jelinek für ihre durch und durch österreichische
„Anti-Meinl-Komödie“ eine Wiener Uraufführung verboten und Köln den Vorzug
gegeben. Dass sie allerdings einen Monat davor im Wiener Akademietheater
eine Ur-Lesung erlaubt hatte, die sich von einer Inszenierung kaum
unterschied, spricht für ihren Humor.
„Ur-Lesung“ in Wien
Am Montag, 16.3. wurde im
Akademietheater Neues ausprobiert: eine „Ur-Lesung“ des jüngsten
Jelinek-Stücks Die Kontrakte des Kaufmanns. Die reguläre
Ur-Aufführung findet erst im April in Köln statt, da die Autorin
Inszenierungen auf österreichischen Bühnen untersagt hat. Deshalb
also die Ur-Lesung: Immerhin diese konnte Jelineks Leibregisseur Nicolas
Stemann durchsetzen. Und da sie unter dessen Anleitung ohnehin besonders
„szenisch“ ausfiel, unterschied sie sich kaum von einer normalen
Theateraufführung.
Orgiastisch
An den Bühnenrändern
leuchteten Nummern, die die verbleibende Seitenzahl des Jelinek-Stücks
anzeigten. Schauspieler trugen Monologe, Dialoge und exzessive Chorpassagen
vor. Sie hatten Wolfs- und „Mohren“-Masken auf. Spritzten mit Wasser und
roter Farbe. Bespielten (oder be-lasen) auch den Zuschauerraum. Erst um
Mitternacht ging die orgiastischste aller jemals absolvierten Lesungen zu
Ende.
Meinl-Bank im Blickpunkt
Apropos „Mohr“: Hauptziel der
Jelinek’schen „Wirtschaftskomödie“ ist die Meinl-Bank. Was im
Akademietheater auch mit Projektionen („Mohr ohne Hemd“) unterstrichen
wurde. Da tritt z. B. ein „Chor der Kleinanleger“ auf, der zetert: „Der
Greißler als Banker, viel versprochen, nichts gehalten“. Oder: „Der Mohr hat
seine Schuldigkeit getan und ist gegangen, dahingegangen ist unser
Erspartes“. Ihm folgt ein „Chor der Greise“, der höhnt: „Wir haben Ihnen
etwas versprochen, was wir gar nicht versprechen konnten, Entschuldigung,
wir haben uns versprochen“. Oder: „15 Prozent Garantie per anus, per
rectum“.
Wie immer bei Jelinek wechselten sich deftige Kalauer mit filigranen Sprachkunsttexturen ab. Man konnte die Ohren spitzen, lachen, rein- und rausgehen, zeitweise dahindämmern. Ich habe schon Ur-Aufführungen erlebt, die unspektakulärer waren.
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