Wally Figg hat endlich das ganz große Ding gefunden. Bei seiner täglichen Runde durch die Beerdigungsinstitute Chicagos stößt der marktschreierische Anwalt auf einen vielversprechenden Fall. Ein Mann hatte vor seinem Tod ein umstrittenes Medikament eingenommen und Wally wähnt sich auf dem Sprung in die Welt der profitablen Schadenersatzklagen. Ein millionenschwerer Vergleich mit dem Pharmahersteller scheint geritzt, der Privatjet nur eine Frage der Zeit.
Ein heikler Fall Ein solches Verfahren würde seine chaotische Zwei-Mann-Kanzlei, die sonst Scheidungen durchboxt und Unfallopfern ihre Dienste aufdrängt, zwar heillos überfordern. Doch Wally ist sicher: Der Fall wird ohnehin außerhalb des Gerichtssaals mit einem Deal geklärt. Schließlich haben Anwälte im ganzen Land, die sich auf Sammelklagen gegen Medikamentenhersteller spezialisiert haben, Blut geleckt. Das Rennen um möglichst viele vermeintlich betroffene Mandanten beginnt.
Neuer Grisham im Handel John Grisham bleibt im Roman "Verteidigung", der am 27. August erschienen ist, seinem Erfolgsmodell treu. 275 Millionen Bücher hat der amerikanische Erfolgsautor ("Die Jury", "Die Firma") nach eigenen Angaben weltweit verkauft, in den meisten Titeln prangert er Missstände des amerikanischen Rechtssystems an. Diesmal hat er sich die Geschäftemacherei mit Schadenersatzklagen herausgepickt.
Hauptakteur ist Anwalt Hauptfigur des Thrillers ist der junge Anwalt David Zinc. Der Harvard-Absolvent flüchtet eines Morgens ausgebrannt vor seinem Job in einer Großkanzlei zu Bloody Marys. Volltrunken landet er bei Wally und seinem Partner. Er entscheidet, in der Vorstadtkanzlei zu bleiben - und wird in den Hype um die Sammelklage hineingezogen. Von Pharmaunternehmen und Sammelklagen Skrupellose Pharmafirmen mit dickem Anwaltsbudget stehen nach Geld lechzenden Sammelklageanwälten gegenüber, die sich nur um die Zahl der Fälle scheren, die sie vertreten - Grisham schreibt mit erhobenem Zeigefinger, seine Bücher sind Plädoyers. Weil sie dabei unvergleichlich spannend sind, kommt er damit durch. Auch der neue 464-Seiten-Schmöker packt den Leser und entschädigt so für die Schwarz-Weiß-Malerei.
Immer auf Distanz Denn David bleibt sauber: immer skeptisch, immer in innerer Distanz zum Gebaren seiner neuen Chefs, aber auch eine Spur zu naiv. "Müssen wir nicht irgendwann einmal nachweisen, dass das Medikament tatsächlich gesundheitsschädlich ist?", fragt er blauäugig. Später, erwidert sein Partner, "da draußen herrscht Krieg". Während seine Kollegen sich in der Pharmaklage verrennen, vertritt David illegale Einwanderer, die von ihrem Arbeitgeber ausgebeutet werden. Packendes Lehrstück Seine Beweggründe, sich just in dieser Bruchbuden-Kanzlei zu verdingen und auf den Irrsinn der Sammelklage einzulassen, bleiben offen. Dafür bietet Grisham ein packendes Lehrstück über die Ausartungen amerikanischer Schadenersatzregelungen. Er zeigt, wie Gier, Halbwissen und falsche Versprechungen zu einer juristischen Blase führen. Bis sie platzt.
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