Sprache, Herkunft, Macht

Junge Burg wird von "Invasion" gestürmt

18.03.2013

Anspruchsvoller, mehrschichtiger Theaterabend um Identität und Migration.

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© APA/ROLAND SCHLAGER
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Abulkasem – arabischer Eroberer, jugendlicher Aufreißer in einer Bar, der meistgesuchte Terrorist der Erde und schließlich doch nur ein Immigrant, der in Schweden als Apfelpflücker arbeitet. In „Invasion!“, dem Theaterdebüt des schwedisch-tunesischen Autors Jonas Hassen Khemiri, dreht sich alles um die Figur Abulkasems, die nicht nur Identität in Zeiten von Globalisierung und Migration, Ambiguität und verschwimmenden Rollen, sondern auch Zuschreibungen, Klischees und Alltagsrassismen symbolisiert. Im intimen Rahmen des Vestibüls im Wiener Burgtheater nahmen sich die Teilnehmer des Projekts „Junge Burg“ am 17. März dieses vielschichtigen und nicht einfachen Stoffes engagiert an. Vom Publikum gab es dafür viel Applaus.

Alles beginnt im Theate

Auf der Bühne des Vestibüls wird ein schwedischer Klassiker gegeben, Abulkasem hat als Eroberer und Verführer von Jungfrauen seinen ersten Auftritt. Plötzlich stören Lacher, lautes Kaugummikauen und das eine oder andere obszöne Geräusch aus den Publikumsreihen die Vorführung. Der die Gruppe Jugendlicher begleitende Lehrer ermahnt, die Schauspieler sind entnervt, schließlich eskaliert die Situation und die Jugendlichen „mit Migrationshintergrund“ stürmen die Bühne und schleudern Schimpfwörter und Slang genauso durch die Gegend wie einen Teil der Kulisse. Von dünnem Schnauzer über Sonnenbrillen und Lederjacken bis hin zur Goldkette und Jogginghosen – an Klischees wird dabei nicht gespart. Die „echten Kanaken“ seien nun da, erklärt einer der Jugendlichen.

Szenenwechsel

Nachdem der Lehrer endgültig aufgegeben und gekündigt hat, tut es den Jugendlichen schon ein bisschen leid – auch wenn das keiner von ihnen zugeben mag. Und irgendwie hatte dieser Abulkasem auf der Bühne zumindest einen „geilen Kanaken-Namen“. Prompt wird die Figur zum geflügelten Wort und kann von nun an von cool bis langweilig alles bedeuten. Spätestens ab jetzt wird Abulkasem zum verbindenden Element der schnell wechselnden Szenen: In einer Bar spricht einer der Jugendlichen ein Mädchen an und stellt sich als Abulkasem vor, was ihm einen deutlichen Selbstbewusstseinsschub einbringt. Die Studentin will – wie man in der Szene aus ihrer Perspektive erfährt – zwar nichts mit „dem Türken, der baggern will“ zu tun haben, bringt aber ihrerseits Abulkasem als Synonym für eine von ihr bewunderte Regisseurin ein. Damit umgeht sie die ewige Debatte um ihre kurdische Herkunft, Kopftücher und Ehrenmord, die von ihren Studienkollegen leidenschaftlich geführt wird.

Anstoß zur Invasion

Gleichzeitig begibt sich eine Runde Wissenschafter im Fernsehen auf die Suche nach Abulkasem, dem gefürchtetsten Terroristen der Welt, und entblößt dabei nicht nur das oft hohle Gerede selbsternannter Experten, sondern auch jede Menge Alltagsrassismus und die Angstmechanismen der Massenmedien. Der Kreis schließt sich bei einem Immigranten aus Bagdad, der in Schweden als Apfelpflücker arbeitet und seine Geschichte erzählt, die jedoch von einer Dolmetscherin völlig falsch und mit Vorurteilen gespickt wiedergegeben wird. Er flüchtet sich schließlich in die Identität von Abulkasem und liefert wiederum dem kleinen Bruder des Autors Anstoß zum Stoff von „Invasion!“.

Vier Rollen auf einmal
Was sich kompliziert liest, ist auch auf der Bühne nicht immer leicht zu bewältigen. Teils schlüpfen die Schauspieler in bis zu vier verschiedene Rollen, Sprachfärbungen und Kostüme, um dem assoziativen Nachdenken über Herkunft, Sprache, Macht und Namen auf mehreren fiktionalen Ebenen gerecht zu werden. Das Geschehen wird von den Schauspielern oft rückblickend erzählt, immer wieder werden einzelne Dialoge oder ganze Szenen aber auch direkt dargestellt. Mit Perspektivenwechseln, direkter Ansprache des Publikums oder Thematisierung des fiktionalen Geschehens ist das eine kunterbunte postmoderne Theatermischung, die dennoch besser funktioniert als erwartet – auch wenn vom Zuseher durchaus Aufmerksamkeit gefordert ist.

Einfaches Bühnenbild
Die simple Kulisse mit Fliesenhintergrund und Bausteinelementen ist als leicht veränderbare Basis auf jeden Fall gut gewählt. Eine gewisse Nervosität der jungen Darsteller, die sich in Texthängern, Versprechern und dem ewigen Kampf mit Technik und Requisiten äußert, begleitete die Premiere zwar fast durchgehend, wirkte in diesem kleinen Setting aber mehr charmant denn störend. Schade nur, dass der deutschen Übersetzung der österreichische Schliff fehlt, „Kanaken“, „Tussis“ und „Fluppen“ mögen zwar in Deutschland als Jugendsprache durchgehen, wirken in Wien aber teils sehr künstlich. Als mehr als aktuelles und modernes Nachdenken über Herkunft, Integration und eine multikulturelle Gesellschaft ist „Invasion!“ eine Empfehlung.

Info
„Invasion!“ von Jonas Hassen Khemiri wird noch am  19. und 20. März, 4., 5., 19., und 21. April im , Vestibül aufgeführt. Alle Informationen sowie Tickets erhalten Sie unter www.burgtheater.at.

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