Salzburger Festspiele

Jungfrau von Orleans": Statue ohne Spielraum

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Äußerst statische, dunkle Inszenierung von Thalheimer feierte Premiere.

Michael Thalheimer ist immer für Überraschungen gut. Wer sonst als dieser strenge Meister der Reduktion käme auf die Idee, ausgerechnet "Die Jungfrau von Orleans", den Inbegriff der sich mit Gottvertrauen und Todesverachtung in das Schlachtgetümmel werfenden und damit alle anderen mitreißenden Überzeugungstäterin, spielen zu lassen, als wäre sie angewurzelt? Hauptdarstellerin Kathleen Morgeneyer hat in seiner Inszenierung, die am 28. Juli bei den Salzburger Festspielen Premiere hatte und ab 27. September im deutschen Theater Berlin zu sehen ist, wahrlich wenig Spielraum. Die Sprache bleibt die längste Zeit ihr einziges Ausdrucksmittel. Doch die Überraschung gelingt. Das Konzept geht auf. Aber es überzeugt nicht restlos.

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Jungfrau als Standbild

Es wirkt, als hätte sich der Regisseur Schillers "Lied von der Glocke" zum Vorbild genommen: "Fest gemauert in der Erden / Steht die Form, aus Lehm gebrannt. / Heute muß Johanna werden. / Frisch Gesellen, seid zur Hand." Der Vorhang geht hoch. Eine schmächtige, zierliche junge Frau mit großen Augen, langen Haaren und weißem Kleid steht gebannt vor uns, ein Schwert reglos in der Hand. "Die zentrale Frage, die mich interessiert, ist: Wer ist diese Jeanne d'Arc?", hatte Thalheimer bei den Proben gesagt. Er versucht sie nicht von innen heraus, sondern aus ihrer Umgebung zu erklären. Seine "Jungfrau von Orleans" ist bereits zum Standbild geworden, von einem scharfen, vom Himmel kommenden Lichtstrahl beleuchtet, als wäre sie ein wertvolles Ausstellungsstück.

Bewegendes Leben auf der Bühne

Johanna ist das, was die anderen in ihr sehen wollen. Das war in den Jahrhunderten danach so, als Leben und Tod des gegen die Engländer kämpfenden und 1431 als Ketzerin verbrannten lothringischen Bauernmädchens zum Anheizen allerlei patriotischer Gefühle und politischer Kalküle diente - und das ist in dieser zweieinviertel Stunden langen, pausenlosen Aufführung so. Der Regisseur streicht den Prolog, der sich mit Johannas familiärer Herkunft befasst, und stellt sie wie eine Himmelserscheinung mitten in die Fürsten und Ritter, die den ebenso dekadenten wie bankrotten König Karl VII. (ein eindrucksvoller Schwächling: Christoph Franken) umgeben. Um gegen die Engländer, die sich mit Karls Mutter, Königin Isabeau (herrlich rachsüchtig: Almut Zilcher), verbündet haben, bestehen zu können, hilft nur noch ein Wunder. Doch das befindet sich bereits mitten unter ihnen. Und darf nun endlich die Stimme erheben. Es ist nicht ihre Stimme, daran lässt Morgeneyer durch verschiedene Sprachhaltungen keinen Zweifel. Es ist Gottes Stimme, die durch sie spricht.

Erhitzte Gemüter in der Mozart-Stadt

Zu dieser Zeit sind bereits manche Zuschauer im Salzburger Landestheater, das an diesem bisher heißesten Tag des Jahres angenehm heruntergekühlt worden war, wieder erhitzt. Der Verzicht auf szenische Aktion, die Verwendung der finsteren, von einer Kuppel überwölbten Bühne (Bühnenbild: Olaf Altmann) als reiner Sprach-Raum, irritiert. Die Schiller'schen Verse bekommt auf der Bühne kaum jemand in den Griff. Überdeutlich wird artikuliert, mit großem Druck werden Bekenntnisse herausgeschleudert. Emotion als Deklamation. Böse Worte kommen einen in den Sinn: Steh- und Brülltheater. Doch dann passiert doch noch einiges, das wieder versöhnt.

Johanna von Kriegern verfolgt

Thalheimer verzichtet nämlich nicht ganz auf szenische Anstöße. Er reduziert die möglichen Schlachtengemälde bloß auf Miniaturen, die man konzentriert zu betrachten hat, um nichts zu versäumen. "Die Bilder sollen in den Köpfen der Zuschauer entstehen", sagt er. "Das ist ein viel spannenderer Vorgang." An der Seite der gottgesandten Jungfrau, die sich für das Handwerk des Tötens ihr Gesicht schwarz eingefärbt hat, tauchen nun jede Menge Krieger (sehr präsent: Andreas Döhler als Dunois und Henning Vogt als Du Chatel) auf und rücken ihr nahe. Die vermeintlich gottgegebene Aufgabe der Frau ist ihnen lieber als jegliche göttliche Sendung. Da gibt es viel komisches Hoffen und Bangen, Werben und Abweisen, aber auch viel Blutspucken. Die Feinde lassen ihr Leben, ohne dass Johanna auch nur das Schwert erheben muss.

Liebesgeschichte nur am Rande

Der "romantischen Tragödie" der jungen Frau, die ihre Liebesfähigkeit entdeckt und damit ihr Sendungsbewusstsein verliert, die nur auf eine fremde Stimme, nicht aber auf ihre eigenen Gefühle hören kann, geht diese Inszenierung nicht wirklich auf den Grund. Das ist schade, denn mit Meike Droste als Karls energische Geliebte Agnes Sorel oder Alexander Khuon als zu ihr in Liebe entbrannter Lionel wären für die Vertiefung dieser Aspekte des vielschichtigen Stücks starke Mitspieler zur Verfügung gestanden.

Scheiterhaufen fehlt
Zum tragischen Ende gibt es Schattenspiel, nicht Scheiterhaufen. Kein Regie-Frevel: Den hatte bereits Schiller verweigert. In den einhelligen Jubel für Kathleen Morgeneyer und in den Applaus für das Ensemble mischten sich ein paar hartnäckige Buhrufer gegen die Regie. Dabei hätten sie sich bloß Johannas Schlusssatz zu Herzen nehmen müssen: "Kurz ist der Schmerz und ewig ist die Freude!"

Info
Friedrich Schiller: "Die Jungfrau von Orleans", Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Nehle Balkhausen, Musik: Bert Wrede, Mit Kathleen Morgeneyer, Michael Gerber, Christoph Franken, Meike Droste, Andreas Döhler, Henning Vogt, Jürgen Huth, Almut Zilcher, Peter Moltzen, Markus Graf, Alexander Khuon; Salzburger Festspiele, Koproduktion mit dem Deutschen Theater Berlin, Salzburger Landestheater, Weitere Vorstellungen: 29., 30. Juli, 1., 2., 4., 5., 7. August; Karten: 0662 / 8045-500, www.salzburgerfestspiele.at)

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