Salzburger Festspiele

Erstes Kehlmann-Stück: Ein großer Wurf

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"Geister in Princeton" erwies sich in szenischer Lesung als scharfsinnig und witzig.

Die Uraufführung wird zwar erst am 24. September am Grazer Schauspielhaus erfolgen. Seit Montag, 1.8., weiß man jedoch, dass Daniel Kehlmann mit seinem Stück "Geister in Princeton" ein echter Wurf gelungen ist: Seine im Auftrag der Salzburger Festspiele entstandene Szenenfolge über den österreichischen Logiker Kurt Gödel (1906-1978) ist brillant geschrieben, witzig und scharfsinnig und mit Gespür für theaterwirksame Szenen. Dass man dies in 90 Minuten am Salzburger Landestheater herausfinden durfte, ist der sensiblen szenischen Einrichtung des britischen Stardramatikers und Oscar-Preisträgers Christopher Hampton sowie einem engagierten Schauspielensemble zu verdanken, insbesondere Peter Jordan, dem Teufel des Salzburger "Jedermann".

Bombenrolle
Jordan hat sich die Hauptrolle des Mathematikgenies einverleibt, als ginge es um eine große Theaterproduktion, und nicht "bloß" um die szenische Urlesung an einem einzigen Abend. Dieser Kurt Gödel, dem Kehlmann auch noch den jungen Kurti und den verstorbenen Prof. Kurt zur Seite stellt, ist zweifellos eine Bombenrolle: angeblich der größte Logiker des 20. Jahrhunderts, der einzige, der in Princeton mit Albert Einstein auf Augenhöhe verkehrte - und gleichzeitig ein großes Kind, ein Muttersöhnchen, ein zum praktischen Leben nahezu unfähiger Paranoiker, der sich von Geistern umgeben und von bösen Kräften verfolgt fühlte. Weil die Zeit einer ständig im Kreis fahrenden Eisenbahn gleicht, verkehrt er mit toten Kollegen ebenso wie mit lebenden. Weil viel zu viel Meinung kursiere und man erst reden solle, wenn man das, was man sagt, auch beweisen kann, schweigt er lieber. Weil er sicher ist, dass man ihm nach dem Leben trachtet, hegt er Misstrauen gegen alle, auch gegen seine sich aufopferungsvoll um ihn kümmernde Frau, und verweigert aus Angst vor Gift die Nahrungsaufnahme, bis er an Unterernährung stirbt. Was für ein Stoff!

Zündende Einzeiler
Kehlmann gelingt es nicht nur, die Vielschichtigkeit und Tragik der Figur herauszuarbeiten (wobei mit Ausnahme seiner von Bettina Stucky mit viel Liebe verkörperten Frau Adele, einer ehemaligen Tänzerin, die übrigen Personen eher blass bleiben), sondern auch die in jeder Hinsicht ver-rückte Gedankenwelt des Logikers in zündende Einzeiler und unterhaltsame Dialoge ("Klugsein hilft nicht." - "Nein, im Gegenteil!") zu fassen.

Fantastische Theaterszenen
Mit dem Mord an dem Philosophen Moritz Schlick, dem Begründer des Wiener Kreises, den Drangsalierungen des vermeintlichen Juden Gödel nach dem "Anschluss" und der Arbeit der emigrierten Physiker an der Atombombe bricht auch die große Politik in das Leben des schrulligen Gelehrten ein, der die Welt in seinem Denken ohnedies längst aus den Angeln gehoben hat. Mit dem mühsamen Versuch Einsteins, seinen Kollegen auf die US-Staatsbürgerschaftsprüfung vorzubereiten ("Jeder, der Ihnen zuhört, glaubt, er ist betrunken.") und einer Episode an einer Bahnstation in der Mongolei, wohin es das Ehepaar Gödel auf seiner Flucht in die USA verschlägt ("Dann bleiben wir halt hier. Du überschätzt Raum und Zeit!") gelingen Kehlmann in seinem Debüt als Dramatiker auch zwei fantastische Theaterszenen, in denen die Tragikomödie herrlich komisch wird.

Viel Jubel
Man darf sich mit Recht auf die Uraufführung von Anna Badora freuen, bei der man mit Claudius Körber, Stefan Suske und Franz Xaver Zach auch Teile des gestrigen Ensembles wiedersehen wird (die Hauptrolle übernimmt Johannes Silberschneider). Daniel Kehlmann scheinen die Mathematiker Glück zu bringen. Nachdem Gauß Millionen Leser zu dem Roman "Die Vermessung der Welt" greifen ließ, dürfte nun Gödel dafür sorgen, dass auch die Theater an dem 2009 für seine regietheaterkritische Salzburger Festspielrede viel Gescholtenen künftig nicht mehr vorbeikommen. Viel Jubel für Autor und Team in Salzburg.
 

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