Vor Kriegsende: Lee Miller badete in der Münchner Wohnung Hitlers.
Sie inszenierte sich vor Man Rays Linse ebenso wie in Adolf Hitlers Badewanne, vorrangig aber war die US-Amerikanerin Lee Miller eine eigenständige Künstlerin mit einem vielfältigen fotografischen Werk. Dieses ist anhand von 100 Objekten ab Freitag erstmals in seiner Breite in Österreich zu sehen: Die Wiener Albertina eröffnet mit "Lee Miller" ihre neu geschaffenen "Galleries for Photography".
450 Quadratmeter stehen ab sofort ausschließlich für Fotografie zur Verfügung, anders als bei den kürzlich präsentierten, Zeichnung und Grafik gewidmeten Tietze Galleries wurde jedoch nicht in die Raumfolge eingegriffen. Die nun zweckgewidmete Pfeilerhalle nicht mit Werken aus den eigenen Beständen zu eröffnen, sei "keine leichte Entscheidung" gewesen, solle aber "klarmachen, das beides hier seinen Platz hat", so Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder am Donnerstag bei einer Presseführung. Künftig wolle man zwei Fotoausstellungen pro Jahr aus Eigenbestand und ein bis zwei Sonderausstellungen bestreiten.
Mit Lee Miller (1907-1977) werde nun eine Künstlerin gewürdigt, die in der Geschichte der Fotografie lang auf die Funktion des Modells beschränkt und als Autorin verkannt wurde - einem vielfältigen Oeuvre von Mode-, Reise-, Porträt- und Akt- bis hin zur Kriegsreportagefotografie zum Trotz. Die sparsam inszenierte Sammlung an Schwarz-Weiß-Fotografien konzentriert sich auf jene produktive Schaffensperiode von 1929 bis 1945, in denen Miller die beeindruckende Entwicklung von der surrealistischen Fotografin in Paris zur furchtlosen Kriegsreporterin in u.a. London, München und Wien vollzog.
Kriegsfotografin
Eine sachliche Bildsprache wird in ihren teils politisch aufgeladenen Fotografien als Kriegskorrespondentin ab 1942 klar: Als eine von nur fünf Pressefotografinnen, die für die USA in Europa arbeiteten, hielt sie im April 1945 u.a. die befreiten Konzentrationslager Buchenwald und Dachau fest, lichtete Opfer ebenso wie Täter ab. Schockierend und ungewohnt nah sind ihre Aufnahmen von Leichenbergen im Buchenwald, künstlerisch anmutend etwa das Foto von einem im Kanal treibenden toten SS-Mann.
Legendäres Foto in München
Gemeinsam mit dem "Life"-Fotografen David Scherman inszenierte sich Miller auch legendär in der Badewanne in Adolf Hitlers Wohnung in München. Die vor der Wanne platzierten Armeestiefel definierten sie eindeutig als Angehörige der Alliierten und stellten damit "einen radikalen Akt der Machtumkehrung dar", so Moser.
Aufnahmen aus dem von Luftangriffen schwerbeschädigten und mittlerweile von vier alliierten Besatzungsmächten aufgeteilten Wien wenige Monate nach Kriegsende zeigen vorrangig bröckelnde Sehenswürdigkeiten wie Stephansdom und Albertina, aber auch die für Miller eigentlichen Opfer des Krieges: Kinder. Aufrüttelnde Fotos, die nicht nur die Albertina-Schau, sondern auch Millers Schaffen beschließen: Psychisch unter den Auswirkungen des Krieges leidend, hörte sie nach ihrer Rückkehr nach England beinahe völlig zu fotografieren auf.