Regisseur genervt
Kritikhagel für Camerons "Avatar"
22.01.2010
Antiamerikanisch, frauenfeindlich und geklaute Handlung?
Der Film vereint nach Ansicht seiner Kritiker so ziemlich alles Böse, das man sich vorstellen kann: Rassistisch und demagogisch sei er; antidemokratisch, aber doch auch demokratisch; antiamerikanisch, aber auch proamerikanisch; die Handlung sei geklaut, zu freizügig, frauenfeindlich sei er auch und er verführe Kinder zum Rauchen. "Avatar" von James Cameron bricht weltweit an den Kinokassen reihenweise Rekorde und gilt als ein großer Favorit für den begehrtesten Filmpreis der Welt, den Oscar, Anfang März.
Nicht originell
So brandneu ist die Story
des Films in der Tat nicht: Ein Ex-Marine wird auf einen fernen Planeten
entsandt, um das Volk der Navi zu unterwandern. Die leben auf Bäumen und
lieben den Frieden und die Natur und langsam gewinnt der Soldat Respekt vor
den schlumpfblauen Außerirdischen. Dass
eine Frau mit im Spiel ist, ist nicht originell, lockt aber immer noch
die Besucher an: Weit mehr als eine Milliarde wollten die Geschichte noch
einmal sehen, nach deren Muster auch schon Kevin Costner in "Der mit dem
Wolf tanzt", Tom Cruise in "Der letzte Samurai" und Dutzende andere
erfolgreich waren.
Diskussion
Die erste Kritik war noch dünn und reichlich
präpubertär. Ob auch jemand gesehen habe, dass bei der einen Außerirdischen
einmal die Brustwarze zu sehen war, fragten Blogger im Internet und
entfachten damit eine breite, aber leise Diskussion. Die wurde erst lauter,
als auch Feministen "Avatar" als frauenfeindlich brandmarkten. Schließlich
seien die Körper der männlichen Außerirdischen viel schöner gemacht als die
der Frauen.
Vatikan
Dem
Vatikan mit seiner Kritik, dass "Avatar" leider "kein großer Film" sei,
sprangen ausgerechnet radikale Protestanten in den USA bei. Der Film
diffamiere Kapitalismus und Christentum und stelle die Religion von
Naturvölkern über den Monotheismus, schreibt David Outten im christlich
orientierten "movieguide.org". Konservative stimmen mit ein und nennen den
Film "unamerikanisch". Auf dem Nachrichtenportal "bighollywood" kann man
sogar lesen, Avatar sei "große, dumpfe, Amerika hassende, politisch korrekte
Fantasy". Aber selbst der renommierte Kommentator und frühere
Clinton-Vertraute Joe Klein schreibt in "Time" unter der Überschrift
"Zeitgeist Patrol" ("Der Zeitgeist auf Streife"), dass er die Kritik
Konservativer verstehen könne: "Die Amerikaner sind durchweg die Bösen und
die anderen sind ausnahmslos gut."
Viel zu amerikanisch
Anderen ist der Film dagegen viel zu
amerikanisch. Ein Film, in dem sich ein bedrohtes Volk gegen die Vertreibung
durch Großkonzerne wehrt, weckte
im boomenden China, wo Millionen Menschen zum Beispiel für einen Staudamm
umgesiedelt werden, Assoziationen. Nicht deshalb werde der Film aber aus
den Kinos genommen, versichern die Zensoren, es wolle ihn einfach keiner
sehen.
Geklaut?
In Russland jedoch könnte Cameron die Verhaftung drohen.
Das fordern zumindest die Kommunisten. Sie meinen, der Kanadier sei ein
Dieb, da er Handlung und Figuren aus dem Roman "Die Unruhe" des sowjetischen
Autors Boris Strugazki verwendet habe. Deshalb müssten die russischen
Behörden einen internationalen Haftbefehl gegen Cameron erlassen. Doch dies
forderten die Kommunisten auch schon vergeblich für die ukrainische
Schauspielerin Olga Kurylenko, die "sozialistische Ideale" verraten habe, da
sie als "Mätresse des Klassenfeindes" aufgetreten ist: als Bond-Girl.
Cameron istz genervt
Kritik, der Film
animiere zum Rauchen, weil auf der Leinwand mit Sigourney Weaver eine
der "Guten" zur Zigarette greift, klingen da fast harmlos. Cameron und sein
Stab reagieren vereinzelt auf die Kritik, nennen ihren Film politisch, aber
nicht unamerikanisch, zeigen ansonsten aber betont die kalte Schulter. So
ganz prallt die Debatte an dem 55-Jährigen aber nicht ab. Als er bei der
Vorstellung des Films in Berlin auf die Kritik angesprochen wird, raunzt er:
"Was für eine beschissene Frage! Gibt es keine anderen Fragen?"