Mit Franz West ist in der Nacht auf Donnerstag der wohl bedeutendste lebende Bildhauer Österreichs verstorben. Auch wenn West seit Jahren an Gelbsucht litt, kam der Tod des Künstlers im Alter von 65 Jahren letztlich doch für viele überraschend. Noch im Vorjahr war West als erster Österreicher bei der Biennale Venedig mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden, wo er auch das österreichische Ehrenzeichnen für Wissenschaft und Kunst erhielt. Die Stadt Wien ehrt den Künstler nun mit einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof, wobei das Begräbnis selbst in kleinstem Familienkreis angesetzt ist.
Österreichischer Revolutionär West galt als der Revolutionär und große Rätselhafte der heimischen Bildhauerei, der mit oft großformatigen Skulpturen das Spannungsfeld zwischen Prothese, Möbelstück und Kunstgegenstand auslotete. Zugleich blieben diese Arbeiten selten erratisch, sondern schwangen sich auf dem internationalen Kunstmarkt zu den teuersten Stücken aus Österreich auf. Seit seiner ersten Ausstellung 1970 in der Wiener Galerie Hamburger war West weltweit mit zentralen Personalen vertreten - vom New Yorker MoMA (1997) über die Hamburger Deichtorhallen (2002), vom Wiener MAK (2008) bis zur Fondation Beyeler in Riehen (2009). Nicht zuletzt hatte West Österreich 1990 in Venedig vertreten. Auch waren seine Arbeiten an prominenten öffentlichen Orten für jedermann zu sehen, wie etwa im Belvedere-Garten oder beim Eisernen Vorhang der Wiener Staatsoper in der Saison vor drei Jahren.
Erforschung von Form und Raum Ungewöhnlich waren dabei nicht zuletzt die Materialien, mit denen West seine Erforschungen von Form und Raum betrieb und die sowohl Papiermache als auch Gips umfassten, etwa für seine ab Mitte der 1970er entstandenen "Paßstücke" für den menschlichen Körper. Seine Auslotung der physischen, psychischen, kultischen und nicht zuletzt auch profanen Gebrauchsdimensionen der Skulptur an sich trieb West mit seinen "Möbeln" weiter voran. Seine Stühle und Liegen, die aus Eisen und Industrieschrott zusammengeschweißt waren, luden an ausgewählten Orten nicht nur zum Schauen, sondern auch zum Benützen ein - im Kunsthistorischen Museum Wien ebenso wie in Venedig oder bei der documenta 9.
Bewegtes Leben Diese weitgefächerte Interessenslage im künstlerischen Oeuvre dürfte nicht zuletzt auf den reichen Erfahrungsschatz Wests zurückgehen. Auf die Geburt in Wien am 16. Februar 1947 folgten Schulabbrüche, Reisen und Gefängnisaufenthalte. Nach dieser Zeit der autodidaktischen Studien studierte West von 1977 bis 1982 bei Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste in Wien und übernahm später selbst von 1992 bis 1994 eine Professur an der Frankfurter Städelschule. Geschockte Kunstszene Geschockt zeigte sich am 26. Juli die Kunstwelt über die Todesnachricht. "Das MAK pflegte intensive Kontakte zu Franz West und setzte sich in zwei Personalen mit wesentlichen Positionen seines Werks auseinander", erinnerte Direktor Christoph Thun-Hohenstein an den Verstorbenen und die beiden Schauen aus den Jahren 2008 und 2001. Bis heute sind die Lemurenköpfe, die im Zuge der Schau "FRANZ WEST. Gnadenlos" als Leihgaben auf den Pylonen der Stubenbrücke installiert wurden, dort angebracht. Belvedere-Chefin rühmt West "Die außergewöhnliche Karriere Wests sowie der Mensch Franz West werden in Wien wie auch international schmerzlich vermisst werden", meinte Belvedere-Direktorin Agnes Husslein-Arco gegenüber der APA, während sich auch mumok-Chefin Karola Kraus erschüttert zeigte: "Mit ihm verliert die Kunstwelt einen ihrer innovativsten und radikalen Köpfe." Im kommenden Jahr, von 22. Februar bis 26. Mai, wird das mumok West eine Retrospektive widmen, an deren Konzeption der Verstorbene noch mitgewirkt hatte. Auch Politik trauert Kulturministerin Claudia Schmied (S) würdigte West als "einen wahrhaft bedeutenden zeitgenössischen Künstler unserer Zeit". "Österreich verliert mit Franz West einen herausragenden Künstler, einen Leuchtturm zeitgenössischer Kunst mit internationaler Strahlkraft", zollte auch Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (S) dem Verstorbenen Respekt, der nun ein Ehrengrab der Stadt erhalten soll.
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