Große Retrospektive
Kunstforum zeigt Meret Oppenheim
21.03.2013
Das Kunsforum ehrt Künstlerin zum 100. Geburtstag mit Ausstellung.
Meret Oppenheim (1913-1985) bestand bereits als junge Frau auf ihrem eigenen Weg. "X = Hase" lautete die gezeichnete Gleichung, die sie als 17-Jährige in ihrer Collage "Das Schulheft" aufstellte. Das Gymnasium in Basel brach sie ab und ging nach Paris, wo sie sich den Surrealisten anschloss. 1935 nahm der große Psychiater C.G. Jung sie im Auftrag ihres Vaters in Augenschein und beruhigte diesen brieflich: Er habe den Eindruck, dass der Fall beim Fräulein Tochter "nicht allzu schlimm liegt" und diese "in wenigen Jahren einen Ernst hervorbringen wird, welcher auf eine genügende Anpassung an die Mächte der Wirklichkeit hoffen lässt". Er sollte sich gründlich täuschen.
Große Eröffnung
Die beiden Dokumente stehen am Anfang der "Meret Oppenheim - Retrospektive", die am 20. März im Wiener Bank Austria Kunstforum eröffnet wurde. Die von Kuratorin Heike Eipeldauer aus Anlass des 100. Geburtstags der Schweizer Künstlerin (6. Oktober) zusammengestellte Schau, die ab Mitte August im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen sein wird, zeigt eine faszinierende und eigenwillige Persönlichkeit, die sich nicht vereinnahmen lassen wollte - von der Familie nicht, von den Männern nicht, vom Kunstbetrieb nicht. "Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie nehmen", lautete ihre Maxime. Darin scheint sie außerordentlich konsequent gewesen zu sein. Ihre im Alter von 23 Jahren geschaffene "Pelztasse" begründete als ironisch-spielerischer Kommentar festgefahrener Verhältnisse ihren Ruf als Künstlerin und ist heute eine der Ikonen der MoMa-Sammlung in New York. Dass ausgerechnet dieses bekannte Stück unter den rund 200 Leihgaben aus aller Welt fehlt (dafür ist das Pendant, ein Bierkrug mit Eichhörnchenschwanz-Henkel, zu sehen), weil sich das Museum nicht davon trennen wollte, hält Eipeldauer für keinen Verlust. Die "Pelztasse" habe Oppenheims einseitige Rezeption als Muse der Surrealisten befördert und den Blick auf ihr vielschichtiges und eigenständiges Werk verstellt.
Gesamtwerk in Wien
"Man sieht hier das Gesamtwerk", betont sie. Darunter sind außerordentlich starke Einzelstücke wie ein blutiges Votivbild mit Würgeengel, mit dem sie bereits als Teenager der den Frauen zugedachten traditionellen Mutterrolle eine Absage erteilte, oder die Installation "Bon appetit, Marcel!", in der sich auf einem Schachbrett ein an die Figur der weißen Königin erinnerndes Backwerk zum Verzehr anbietet. In der Leibesmitte ist als Vagina Dentata eine Stück der Wirbelsäule eines Rebhuhns eingefügt. Daran sollten sie sich verschlucken, die Herren Surrealisten rund um Marcel Duchamp, Max Ernst oder Man Ray, von dem die legendären Aktfotos der 20-Jährigen an der Druckerpresse gezeigt werden. Nackt wollten die Kunstmachos die Weiblichkeit am liebsten. Der baldige Bruch war vorprogrammiert. Auch von später gibt es wunderbare Schwarz-weiß-Porträtfotos der Künstlerin, eines zeigt sie wenige Jahre vor ihrem Tod als tätowierte Kunstschamanin und ziert den umfangreichen Katalog. Auf den Fotos sieht man eine faszinierende Frau, die stets wusste, was sie wollte. Sich nie schubladisieren lassen etwa. Sich stets neu erfinden. Eine chronologische Retrospektive mache daher keinen Sinn, erläutert Kuratorin Eipeldauer. "Ich habe statt dessen versucht, rote Fäden durch das vielfältige Werk zu legen."
Selbstdarstellung der Künstlerin
Dabei geht es um verschlüsselte Selbstdarstellungen, um den Dialog mit der Natur, um das Spiel als künstlerisches Prinzip, um die Verwandlung der Geschlechter (getreu ihrer Maxime "Kunst hat keine Geschlechtsmerkmale"), um Traum und Erotik, Masken und Metamorphosen, Bild und Text. Man sieht Masken für die Baseler Fasnacht, Wolken- und Nebelbilder, überaus eigenwillige Schmuckstücke, Schuhe und Handschuhe, vielfältige Malerei und Kleinskulpturen, maulwurfartiger Gartengeist, ein Röntgenbild als Ausgangspunkt für ein Selbstporträt oder, als Leihgabe von David Bowie, ein Bild, das wie die Vorlage für ein Plattencover der Sixties wirkt. "Die Fantasie ist die Landschaft, in der der Geist der Künstlerin spazieren geht", hat Meret Oppenheim einmal gesagt. Die Ausstellung
Info
"Meret Oppenheim - Retrospektive", Ausstellung im Bank Austria Kunstforum (www.bankaustria-kunstforum.at)