Theater an der Wien

Premiere; "Les contes d'Hoffmann"

20.03.2012

Geballter dreieinhalb Stunden Operngenuss mit Jaques Offenbach .

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© Werner Kmetitsch
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Zuckermasse lässt sich auch auf dreieinhalb Stunden auswalzen: So lange dauerte am gestrigen Montagabend die vom Theater an der Wien gewählte Fassung von Jacques Offenbachs "Les contes d'Hoffmann" unter der Regie des Filmstars William Friedkin ("Der Exorzist"). Diagnose am Ende: Zuckerschock, wenn man den matten Applaus des Publikums betrachtet, der am Ende gerade noch lange genug dauerte, dass auch der Regisseur auf die Bühne kommen konnte. Ein solides, aber nicht herausragendes Ensemble und eine schaumgebremste Interpretation der Symphoniker unter Riccardo Frizza hatten sich zuvor einer zumindest stellenweise ambitionierten Regie beigesellt.



Weltstars fürs Bühnenbild
Für seine Interpretation des 1881 entstandenen Offenbach-Werks hatte sich Friedkin Cirque-du-Soleil-Bühnenbildner Michael Curry an die Seite geholt. Die beiden stellten ein buntes Spektakel verschiedenster Ideen auf die Bühne, dabei den fünf, in verschiedene Geschichten zerfallenden Akten folgend. Im zweiten Akt zitieren sie Fritz Langs "Metropolis" bei der Erschaffung der lebensechten Puppe Olympia (Mari Eriksmoen), im vierten treiben sie Hoffmann (Kurt Streit) in einen Shaolinkampf mit Schlemil (Martijn Cornet) oder legen Antonia (Juanita Lascarro) im dritten Akt ein Skelett ins Bett.

Charmante Ideen
Durchaus charmant war etwa die Idee, Hoffmanns Erzählung über den Zwerg Kleinzack mit einem Marionettenspieler illustrieren zu lassen. Allerdings blieb der Variantenreichtum der Puppe doch arg begrenzt - oder doch der des Spielers? Immerhin hatte letzterer bei der im 4. Akt folgenden, keinen Zweifel offenlassenden Orgie einen überzeugenderen Körpereinsatz.

Prägnate Bilder
Dabei gelingen dem Duo Friedkin/Curry stellenweise prägnante Bilder, wenn sie auf digitale Projektionen setzen. Mit der immer länger werdenden Zeit stellte sich allerdings quietschbunte Langeweile ein. Wenn man als Regisseur eine Venedig-Szene illustriert, könnte man auf Gondeln, Gondoliere und Masken verzichten - oder eben nicht. Wenn Mutterns Stimme aus dem Jenseits ertönt könnte man auf ihr Bild an der Wand verzichten - oder eben nicht.

Leichte Klänge
Dazu wabern Offenbachs leichte Klänge im steten Wechsel zwischen Lobeshymnen auf Alkohol und die Liebe. Und selbst die These, der Mensch müsse zerbrechen, damit er dem Künstler Bahn bricht, wird von der aus dem Rausch geborenen Muse orchestriert. Dies alles bildet einen zu harten Kontrast zu den dunklen Geschichten E.T.A. Hoffmanns, deren symbolisch-psychologischen Gehalt Friedkin etwa mit der ostentativen Verfolgung des Doppelgängermotivs zwischen Gut und Böse Geltung verschaffen will.

Kurt Streit mit solider Leistung
Tenor Kurt Streit singt seine Titelfigur zwar solide, aber mit wenig Nuancen. Sein Gegenüber als böser Zwilling und dunkle, vielnamige Nemesis agiert der griechische Bariton Aris Argiris im brummigen Bärentimbre, das wenig Spielraum nach oben und unten zulässt. Dafür sah er sich als Böser immer wieder zu einem jener donnernden Hahahas genötigt, die man mit Ivan Rebroff von der Bühne verschwunden glaubte.

Mari Eriksmoen als Puppe
Mari Eriksmoen konnte mit ihrer Arie als Puppe Olympia, der mitten im Gesang die Aufziehmechanik versagt, für sich einnehmen und wurde am Ende sowohl für Stimme als auch Spiel mit gesteigertem Applaus bedacht. Eine Entdeckung des Abend war die junge US-amerikanische Sopranistin Angel Blue. Die 28-jährige einstige Miss California (2006) zeigte sich bei ihrem Wien-Debüt mit vollem, weich-schmeichelndem Timbre.

Wiener Symphoniker beeindruckten
Dirigent Riccardo Frizza führte die Wiener Symphoniker mit moderater Verve durch einen allzu wenig prononcierten Klangteppich - eine pickige Zuckermasse ohne Füllung. Allerdings passte das gemächliche Tempo im Orchestergraben zu den bisweilen minutenlangen Ruhepausen für den Umbau während der fünf Akte - Minuten der Stille, die von manchem im Publikum durchaus goutiert wurden.

Info
"Les contes d'Hoffmann" von Jacques Offenbach im Theater an der Wien, Linke Wienzeile 6, 1060 Wien mit den Wiener Symphonikern unter Riccardo Frizza. Regie: William Friedkin, Bühnenbild: Michael Curry. Mit: Kurt Streit (Hoffmann), Mari Eriksmoen (Olympia), Juanita Lascarro (Antonia), Angel Blue (Giulietta). Weitere Aufführungen am 23., 25., 27. und 29. März sowie 2. April. Karten: 01/58885, http://www.theater-wien.at)

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