Jean Marie Le Clézio (68) wird von der schwedischen Akademie der Wissenschaften für sein Werk ausgezeichnet.
Die langjährigen Favoriten auf den Literaturnobelpreis müssen weiter warten: Der Preisträger 2008 ist Jean-Marie Gustave Le Clézio.
Literatur
Pünktlich um 13 Uhr kam die Nachricht aus Stockholm:
Wie die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften bekannt gab, wird
2008 der Franzose Jean-Marie Gustave Le Clézio (68) mit dem
Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Der weltweit bedeutendste Literaturpreis
ist mit 1,033 Mio. Euro dotiert.
Aufbruch
Die Auszeichnung gilt „dem Verfasser des Aufbruchs, des
poetischen Abenteuers und der sinnlichen Ekstase, dem Erforscher einer
Menschlichkeit außerhalb und unterhalb der herrschenden Zivilisation“, so
die Begründung der Nobelpreis-Jury.
Le Clézio zeigte sich „gerührt und dankbar“. Den Anruf aus Stockholm habe seine Frau entgegengenommen, er sei gerade mit Schreiben beschäftigt gewesen. Zur Verleihung am 10. Dezember werde er „auf jeden Fall“ anreisen.
Ästhet
Le Clézio ist der erste französische Preisträger
seit 1985 (Claude Simon). Zeitweise in Nigeria aufgewachsen, wurde er 1963
durch den Roman Das Protokoll bekannt. Weitere Werke des kosmopolitischen
Vertreters des „Nouveau Roman“ sind Die Sintflut und Wüste. Le Clézio gilt
als Sprachästhet – was auch der Autor Josef Winkler hervorhob: „Dass nun
einer, für den die Sprache, der Stil, die Form eine große Rolle spielt, den
Nobelpreis erhält, freut mich natürlich sehr.“
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Der frisch gebackende Staatspreisträger Josef Winkler zur Zuerkennung des Literatur-Nobelpreises an Jean-Marie Gustave Le Clézio: "Vor Jahrzehnten hab ich mich mit der französischen Moderne beschäftigt", so Winkler, der als junger Leser "sehr beeindruckt" von Le Clézio war.
Dass nun "einer, für den die Sprache, der Stil, die Form eine große Rolle spielt, den Nobelpreis erhält, freut mich natürlich sehr", meinte der Autor, der in seiner heutigen Dankesrede zum Österreichischen Staatspreis für Literatur unter anderem die Unterhaltungsliteratur kritisiert hat. "Das ist Literatur: Wenn jemand die Sprache zum Thema hat, wenn der Klang das Allerwichtigste ist", so Winkler. "Was mich nicht interessiert, ist die Mitteilungsliteratur."
"Überraschend aber konsequent"
Für den
Literaturwissenschafter Alfred Noe vom Institut für Romanistik der
Universität Wien ist die Entscheidung für Le Clézio "überraschend"
aber auch "konsequent". Mit Claude Simon habe zuletzt ein
Vertreter des Nouveau Roman den Preis nach Frankreich geholt, auch Le Clezio
stehe in dieser Tradition: "Er hat den Nouveau Roman weiterentwickelt,
ist aus seinen rein formalen Grenzen ausgebrochen", so Noe gegenüber
der APA. Der "Sprachästhet" Le Clézio verstünde "Literatur
nicht im naturalistischen Sinne, seine Vorstellungen sind noch sehr stark
ästhetisch orientiert". Die Entscheidung der Akademie sei vor
allem in dem Sinne verständlich, "dass er der letzte große
Vertreter dieser Schule" ist. Auch in Frankreich selbst sei Le Clezio
jedoch alles andere als ein Massenphänomen: "Das ist
Intellektuellen-Literatur für Ausgewählte."
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