Minichmayrs Abgang könnte gravierende Folgen nach sich ziehen.
Birgit Minichmayr lässt Lulu
am Burgtheater platzen. Der Anlass: Laut Direktor Matthias Hartmann gab es „Divergenzen“ mit dem Regisseur Jan Bosse. Dem Vernehmen nach habe sich die Star-Schauspielerin von Bosse nicht genügend „beschützt“ gefühlt. Gerade bei Wedekinds Lulu, in der die Titelheldin – je nach Inszenierung – mehrere Nacktszenen hat, muss die Zusammenarbeit zwischen Regie und Darstellerin optimal und auf Vertrauen gegründet sein.
Honorar
Klarerweise reißt die Absage der für 14. Mai geplanten Lulu-Premiere ein Loch in Planung und Gebarung des Burgtheaters: „Die logistische Herausforderung besteht darin, die freigewordenen Termine mit anderen Aufführungen zu stopfen“, schildert ein Fachmann.
Die finanzielle Challenge: „Wenn eine Produktion abgesagt wird, muss den Beteiligten in der Regel ein ,Abstandshonorar‘ gezahlt werden. Aber natürlich ist das dann immer Verhandlungssache. Wenn der Direktor dem Regisseur eine andere Produktion anbieten kann, wird es keinen Streit geben. Auch Ensemblemitglieder können – im Gegensatz zu Gästen – keine Extra-Forderungen stellen. Und dann kommt’s auch darauf an, wie weit Bühne und Kostüme gediehen sind. In Summe können sich die Kosten auch für so ein Premieren-,Loch‘ auf 200.000 bis 300.000 € belaufen“, weiß der Experte.
Neben dem aktuellen Anlass für Minichmayrs Absage gibt es aber auch einen längerfristigen (Hinter-)Grund: ihren geplanten Abgang zu Martin Kusejs Residenztheater nach München. Und dieser scheint noch weitaus schwerwiegender als der Anlassfall, zumal Minichmayr nicht die Einzige ist, die Kusej abwirbt. In der Süddeutschen erklärte der gebürtige Kärntner, er habe gleich „mehrere wichtige Schauspieler des Burgtheaters“ gewonnen. Die Rede ist auch von Tobias Moretti, Nicholas Ofczarek und Martin Schwab.
Problem
„Allmählich“, sagt ein Szenekenner, „bekommt der Theater- und Opernstandort Wien ein Problem. Denn, wie wir sehen – die Konkurrenz in München oder Berlin schläft nicht!“
Interview mit Peter Simonischek auf Seite 2 >>
Peter Simonischek über die Lulu-Absage
ÖSTERREICH: Was sagen Sie zur „Lulu“-Absage?
Peter Simonischek: Ich bedauere das auch aus ganz persönlichen Gründen. Weil mein Sohn Max da mitgemacht hat und ich froh war, dass er wieder in Wien ist. Ich wäre dann öfter mit ihm auf ein Bier gegangen … jetzt ist er wieder fort.
ÖSTERREICH: Wer war schuld am „Crash“? Minichmayr, Regisseur Bosse, oder gar Direktor Hartmann?
Simonischek: Kunst ist ein Prozess, gute Kunst ist immer kompromisslos, und da kommt es bisweilen zu Zerwürfnissen.
ÖSTERREICH: Was sagen Sie dazu, dass Martin Kusej Burgstars wie Minichmayr nach München holt?
Simonischek: Dass junge Schauspieler heute in Wien, morgen in München und übermorgen in Berlin spielen, ist völlig normal. Sie brauchen das Ovationsgetöse! Dass Kusej aber daraus eine „Kampfansage“ ans Burgtheater macht, ist eine Kinderei! Da heißt es immer, wir Schauspieler verhielten uns „mimosisch“ … wie würden Sie dann dieses „Auf-die-Brust-Getrommel“ bezeichnen?
ÖSTERREICH: Einige Schauspieler schießen sich jetzt auf Hartmann ein. Man könne ihn nicht am Handy anrufen …
Simonischek: … also ich kann ihn jederzeit anrufen …! Aber für die ist das jetzt natürlich ein gefundenes Fressen. Es gibt in meinem Beruf viele Frustrierte, die so hasserfüllt sind, dass sie sogar ihre Karriere aufs Spiel setzen.