Nationalistische Ungarn schickten ihm Drohbriefe. Lesung musste abgesagt werden.
Der Titel von Paul Lendvais Buch klingt harmlos: Mein verspieltes Land. Der Inhalt besitzt Sprengkraft – immerhin musste eine Lesung in Frankfurt wegen der vielen Drohbriefe und -Mails von rechtsextremen Ungarn abgesagt werden. Wir baten Landvai zum Interview.
ÖSTERREICH: Weshalb wurde Ihre Lesung in Frankfurt abgesagt?
Paul Lendvai: Die Böll-Stiftung hat die Veranstaltung gecancelt, weil sie keinen Polizeischutz bekam. Deshalb konnten sie angesichts der bedrohlichen Anrufe und Mails meine Sicherheit nicht garantieren.
ÖSTERREICH: Gab es tatsächlich Morddrohungen?
Lendvai: Es waren jedenfalls keine freundlichen Äußerungen!
ÖSTERREICH: Was ist der tiefere Grund der Angriffe?
Lendvai: Man hat Angst vor meinem Buch ... Ich hab’ ja nichts angestellt. Aber es gab auch in dieser antisemitisch aufgeheizten Stimmung Angriffe gegen den Nobelpreisträger Imre Kertész, gegen Péter Nádas und Péter Esterházy. Nur wäre ich – wie diese rechtsextreme Zeitung geschrieben hat – besonders „arrogant“, weil ich im Ausland lebe. Sie wollen den Spiegel zerbrechen, den man ihnen zeigt. Mich erinnert das an ein bizarres Ionesco-Stück.
ÖSTERREICH: Wie geht es in Ungarn weiter?
Lendvai: Alarmierend ... Sie haben den international bekannten Dirigenten Adam Fischer hinausgeschmissen. Sie haben den Generaldirektor der Budapester Oper gefeuert. Sie wollen jetzt den Direktor des Nationaltheaters erledigen, weil er eine rumänische Veranstaltung erlaubt hat. Neun oder zehn Leute schmeißen sie vom Philosophischen Institut der Akademie hinaus. Also, es findet eine allgemeine „Säuberung“ statt.
ÖSTERREICH: Was wird Ihnen konkret vorgeworfen?
Lendvai: In Zeitungen sagen sie, ich wäre ein Wiener Spion. Ich hätte ein Doppelleben geführt und wäre mit dem Regime eine Symbiose eingegangen. Das ist lächerlich! Und ich werde mich nicht mundtot machen lassen.