Kosice und Marseille: Die beiden zweitgrößten Städte der Slowakei und Frankreichs tragen im Jahr 2013 den Titel Kulturhauptstadt Europas und lösen das slowenische Maribor und das portugiesische Guimaraes ab. Die Konzepte der beiden neuen Titelträger könnten unterschiedlicher nicht sein. Während das ostslowakische Kosice auf sanfte Stadterneuerung und Sanierung des Bestehenden setzt, trumpft die südfranzösische Hafenstadt mit zahlreichen Neubauten auf. Eins ist den beiden Städten gemeinsam: Das Bestreben, die gelebte Diversität in ihr kulturelles Programm einzubinden. Auch die umliegende Region spielt in beiden Metropolen eine zentrale Rolle.
Hafen- und Industriestadt Während Marseille mit dem Ruf als Hort der Bandenkriminalität zu kämpfen hat und sein Image ordentlich aufpolieren will, trachtet Kosice grundsätzlich eher nach der Etablierung des Bekanntheitsgrads überhaupt und will nachhaltig zum Touristen-Ziel werden. Nach Bratislava ist sie die zweitgrößte Stadt der Slowakei und liegt an der Grenze zu Ungarn, der Ukraine und Polen, die Einwohner sind bunt gemischt. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Kosice zur Industriestadt. Im Zentrum des Programms steht die Suche nach der postsozialistischen Gegenwart. Marseille investiert in eine Kulturmeile am Hafen und lockt das Publikum nicht nur mit neuen, hypermodernen Bauten wie dem MuCem, dem J1 oder dem Musee Regards de Provence. Die mehr als 900 Events finden in insgesamt 80 Orten der Provence statt.
Portugal und Slowenien gaben Zepter ab Im Jahr 2012 trugen Guimaraes in Portugal und Maribor in Slowenien den prestigeträchtigen Titel. Guimaraes, ein mittelalterliches Städtchen in der nähe von Porto gilt als Geburtsstadt des heute krisengebeutelten Atlantikstaates. Schon vor der Wirtschaftskrise wurde die 50.000-Einwohner-Stadt hart vom Verfall der einst starken Textilindustrie getroffen - nicht unähnlich der Geschichte des nahe der steirischen Grenze gelegenen Maribor. Einst eines der bedeutendsten Industriezentren am Balkan, gingen der 100.000-Einwohner-Stadt nach dem Krieg in den 90er-Jahren die Märkte verloren. Neue Identifiaktion erwünscht Beide Städte wollten den Kulturhauptstadt-Titel nutzen, um eine neue Identität zu finden. Die finanzielle Ausstattung dafür war allerdings sehr unterschiedlich: Während man in Maribor nach einer Halbierung des Budgets mit 21 Millionen Euro auskommen musste, konnten die Finanzzusagen in Guimaraes gehalten werden: 70 Millionen Euro wurden in Infrastrukturprojekte wie neue Kulturbauten, Sanierungen, Kinodigitalisierung und mehr investiert, 40 Millionen Euro flossen ins Programm. Während man durch das schmale Budget in Slowenien keine Großprojekte realisieren konnte und gegen Ende des Jahres auch von den Protestbewegungen gegen die Stadtregierung eingeholt wurde, fokussierte Guimaraes auf die nachhaltige Stärkung und strukturelle Ausstattung der lokalen Kreativwirtschaft. Neben neuen Studiengängen wurden zahlreiche Geschäftsstandorte, etwa im Bereich Design, etabliert und die Stadt als Filmproduktionsstätte gerüstet.
Auswahlkriterien Kriterien für die Auswahl der Kulturhauptstadt sind die europäische Dimension der Bewerbung sowie die Beteiligung der Bevölkerung an Kulturangeboten. Ab 1985 hat die Europäische Union mehr als 40 Städten der Gemeinschaft den Titel Kulturhauptstadt verliehen. Seit 2011 werden zwei Städte aus verschiedenen EU-Ländern für jeweils ein Jahr ausgewählt. Die erste österreichische Kulturhauptstadt war im Jahr 2003 Graz, 2009 teilte sich Linz den Titel mit und Vilnius.
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