Theaterkritik

"Maß für Maß": Jubel für Gert Voss

18.08.2011

William Shakespeares geniale Tragikomödie spielt in einem fiktiven "Vienna".

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© Franz Neumayr
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Shakespeares genial-nihilistische Tragikomödie Maß für Maß handelt von Tugendterror, Verrat, Machtmissbrauch, Schuld, Gnade und Verzeihung. Der Herzog von Vienna (ein Fantasie-Wien!) will den Verfall der Sitten in seinem Reich bekämpfen. Er gibt vor, eine Reise zu unternehmen und setzt den Puritaner Angelo als seinen Stellvertreter ein. Tatsächlich verreist der Herzog aber nicht, sondern bleibt, als Mönch verkleidet, im Land, um die Handlungen Angelos und des Volkes zu beobachten. In der Folge verurteilt Angelo Claudio, der seine Verlobte geschwängert hat, zum Tode und verlangt von der Novizin Isabella, Claudios Schwester, die um Gnade für ihren Bruder bittet, eine Liebesnacht: Nur so könne sie ihren Bruder retten ...

Schweinehälfte
Thomas Ostermeiers schrille, aktionistische, auf Shakespeares komische Rüpelszenen weitgehend verzichtende und von A-cappella-Darbietungen in der Manier Alter Musik begleitete Inszenierung spielt in einer schmutzigen, goldenen Box um einen zu Boden gestürzten Luster, von dem gelegentlich ein geschlachtetes, halbiertes Schwein oder auch Angelo hängt. Star des Abends ist Gert Voss als abgründiger, weltmännischer Herzog, der wie ein zynischer Spielleiter die Puppen tanzen lässt und als skurriler Mönch mit Kutte, Kapuze, Riesenbrille und heiserer Stimme ein Kabinettstück seiner virtuosen Schauspielkunst zum Besten gibt. Lars Eidinger als Angelo ist ein unsicherer, verklemmter Musterschüler, der unschlüssig die Krone zwischen den Händen dreht, alles mit einem Gartenschlauch abspritzt und an seiner plötzlichen Sinneslust angesichts der schönen Isabella zu verzweifeln droht. Jubel für Voss , Bravos für Eidinger, Applaus für Ostermeier und sein Team.
 

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