Gott ist groß - jedenfalls im Theater an der Wien: Für seine Interpretation von Paul Hindemiths selten gespielter Oper "Mathis der Maler" brachte Regisseur Keith Warner den Heiland persönlich auf die Bühne - in Form einer Monumentalplastik. Sie begleitet den mittelalterlichen Maler Matthias Grünewald als metaphorisches Zentralmotiv durch die Bauernkriege und seine persönliche Glaubenssuche am Beginn der Reformation. Das Publikum zeigte sich von der Regie ebenso wie vom mehrheitlich überzeugenden Ensemble am 12. Dezember begeistert. Spätmittelalterliche Opulenz. auf der Bühne Hatte Warner 2011 bei seiner letzten, umjubelten Inszenierung im Theater an der Wien, dem "Rape of Lucrecia", vornehmlich auf Licht und freien Raum zur Gestaltung gesetzt, greift er für "Mathis" zu spätmittelalterlicher Opulenz. Die gigantische Heilandmaschine - dem Isenheimer Altar, Grünewalds Hauptwerk, entlehnt - schwebt über dem Geschehen, dient als Raumteiler und Spielfläche, um die herum Warner auch hier mit Licht (Mark Jonathan) eine Vielzahl an Subbühnen erschafft. Am Ende wird der Multifunktionsheiland fragmentiert und verteilt sich kreuz und quer über die Bühne. Selbst die einzelnen Körperteile formen noch Raum und Seelenlandschaft. Ein Meisterwerk der Bühnentechnik, das in seiner Flexibilität und zugleich Varianz Maßstäbe setzt.
Warner lässt Dämonen auferstehen Darüber hinaus lässt Warner Dämonen auferstehen, die einem Werk von Hieronymus Bosch entsprungen scheinen, nutzt Gazevorhänge als Projektionsflächen und entgrenzt somit den Bühnenraum zusätzlich. Bisweilen wähnt sich der Zuschauer in einer göttlichen Sendung ohne Namen, so vielgestaltig überschwemmen Schrift, Bilder, Akteure, Licht und Requisiten das Auge. Als schlicht beeindruckender Ruhepol in seiner raumgreifenden und traumwandlerisch standfesten vokalen Ausformung des Mathis diente da der deutsche Bariton Wolfgang Koch. Bei ihrem Haus- und Rollendebüt überzeugte die eingesprungene Manuela Uhl mit den lichten Höhen des jugendlich-dramatischen Soprans, während Publikumsliebling und Theater-an-der-Wien-Stammgast Kurt Streit seinen Albrecht von Brandenburg enervierend-schnarrend anlegte.
Wiener Symphoniker beeindruckten unter de Billy´s Leitung Bertrand de Billy führt die Wiener Symphoniker kammermusikalisch, im harten Kontrast der Motivik, durch das 1938 im Schweizer Exil uraufgeführte Hindemith-Werk, dessen Zentralmotive durch die gleichnamige Symphonie bekannt sind. Wesentliche Passagen werden beinahe dahingehuscht, die Streicher vernachlässigt der Franzose etwas. "Mathis der Maler" verträgt und verlangt eine größere Notwendigkeit, eine höhere Unbedingtheit in Kombination mit einer weicheren Unterfütterung.
Info Die seltene Oper "Mathis der Maler" von Paul Hindemith wird im Theater an der Wien, noch am 16., 19., 23. und 28. Dezember aufgeführt. Alle Informationen dazu sowie Tickets erhalten Sie unter www.theater-wien.at.
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